taz.de -- Gendersprache in der katholischen Kirche: Bei Gott* hört’s auf
Beim Gendern prescht auch im Katholizismus die Jugend vor, nur langsam ziehen Bischöfe nach. Priester können aber weiterhin bloß Männer werden.
Das mit der Sprache ist bekanntlich eine komplizierte Sache. Was ist korrekt? Was Satire? Welches Lob gilt als vergiftet? Wenn in Arbeitszeugnissen steht, Herr Müller habe sich „bemüht“, heißt das übersetzt: Herr Müller ist schlichtweg doof.
So ähnlich könnte man auch das gerade vom Trierer Bischof Stephan Ackermann geäußerte [1][Statement verstehen, die katholische Kirche sei „um gendersensible Sprache bemüht“]. Oder zugespitzt formuliert: Ein „liebe Christinnen und Christen“ ist weit davon entfernt, aus dem patriarchalen Katholikenhaufen eine gleichberechtigte Organisation zu machen.
Ackermann selbst sieht das naturgemäß anders. Für ihn „hinkt die Kirche beim Gendern nicht mehr hinterher“. Möglicherweise ein großer erkenntniskognitiver Schritt für Ackermann. Ein kleiner indes für die Katholische Studierende Jugend (KSJ). Die hatte [2][schon im Herbst vergangenen Jahres beschlossen: Gott ist jetzt Gott*], also Gott mit Gendersterchen – und damit weder männlich noch weiblich, sondern binär, geschlechtslos, wie auch immer.
Da kann Ackermann natürlich nicht mitgehen: „Gott mit Genderstern. Da bin ich dagegen.“ Für ihn gibt es zwar nicht der/die/das Gott, sondern nur „Gott als Chiffre“. Doch genau das ist die Crux: Die jungen Gläubigen stellen mit Gott* die [3][patriarchalen Strukturen ihrer Kirche] infrage, während Ackermanns Chiffre-Gott lediglich den Status quo beschreibt.
Sprache kann wirkmächtig sein
Nun könnte man sagen, sprachliche Anpassungen von Gott wie Gott* und Göttin sind eher Makulatur als ein echter Wandel der Kirche hin zu einer offenen, die gelebte Realität anerkennenden Glaubensorganisation. Aber Sprache kann bekanntlich wirkmächtig sein und auf lange Sicht eine Gesellschaft verändern. Was könnte auf Göttin und Gott* also folgen? Beispielsweise Frauen und Transgenderpersonen als Priester*innen. Dieses Amt ist ihnen bislang verwehrt.
In der Antike war man bei der „Geschlechterfrage“ schlauer. So hatten beispielsweise die ägyptischen männlichen Götter Bes und Hapi weibliche Brüste und standen für Fruchtbarkeit und Leben.
29 Dec 2021
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Kulturstaatsminister Weimer hat ein gottesfürchtiges Buch geschrieben. Darin offenbart er sowohl Missionswillen als auch eine besondere Schlichtheit.
Ein VW-Mitarbeiter sieht seine Persönlichkeitsrechte durch korrekt gegenderte Formulierungen der Konzerntochter Audi verletzt. Nun klagt er.
In Stellungnahmen zum neuen Medienstaatsvertrag schimpfen viele Bürger*innen übers Gendern. Beim Meckern sind die Deutschen gerne vorn dabei.
Vor fünfzig Jahren wurde die Anrede „Fräulein“ aus dem Sprachgebrauch verbannt. Ein Grundstein für gendergerechte Sprache?
Gott als alter weißer Mann? Muss nicht sein. Eine katholische Jugendorganisation diskutiert deswegen darüber, Gott* künftig zu gendern.
Der Vatikan verdammt die Gendertheorie. Beim Evangelischen Kirchentag dagegen strahlt der Regenbogen in all seinen Facetten.
Die katholische Kirche hat ein Dokument zur „Gendertheorie“ veröffentlicht. Doch selbst für den Vatikan sind die Inhalte rückschrittlich.