taz.de -- Konzern will Ölfeld nicht erschließen: Shell macht Rückzieher
Der Konzern steigt aus der umstrittenen Erschließung des neuen Mega-Ölfelds „Cambo“ im Atlantik aus. Ob das Projekt weitergeht, entscheidet London.
Berlin taz | Noch beim [1][Klimagipfel in Glasgow] Anfang November schwebte „Cambo“ wie eine große dunkle Wolke über den Klimaschwüren der britischen Regierung. Jetzt hat die Ölfirma Shell das Thema für sich abgeräumt: Der Ölmulti wird nicht wie geplant in die Erschließung des Ölfelds 125 Kilometer westlich der Shetlandinseln investieren. UmweltschützerInnen feiern einen Sieg.
Den Rückzug begründete das Unternehmen am späten Donnerstag damit, das Projekt – an dem Shell bisher mit 30 Prozent beteiligt ist – sei nach eingehender Prüfung „nicht stark genug“, um es weiter zu verfolgen. Außerdem sei es von Verzögerungen bedroht. Shells bisheriger Partner bei „Cambo“, Siccar Point Energy, äußerte sich enttäuscht. Der britische Öl- und Gas-Dachverband OGUK betonte, Shells Rückzug sei eine „kommerzielle Entscheidung zwischen Partnern, ändert aber nicht die Tatsache, dass Großbritannien auf neue Öl- und Gasprojekte angewiesen ist, um steigende Abhängigkeit von Importen zu vermeiden“.
Doch für die Klimaschutzbewegung und Analysten ist klar: Shell hat dem öffentlichen Druck nachgegeben. [2][Caroline Rance von Friends of the Earth Scotland sagte der BBC:] „Die Macht der Menschen hat Cambo so toxisch gemacht, dass selbst der Ölgigant Shell damit nicht mehr in Verbindung gebracht werden will.“ Denn das Ölfeld galt als Prüfstein dafür, ob die Klimaversprechen von Regierung und Industrie ernst zu nehmen sind. 2001 war das Feld entdeckt worden. Es könnte über 25 Jahre Hunderte von Millionen Tonnen Öl und Hunderte Jobs für Schottlands strukturschwache Gegenden liefern. Die [3][schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon] hatte sich bereits gegen „Cambo“ ausgesprochen, aber die Entscheidung über die Bohrgenehmigung fällt in London.
Die Öllobby argumentiert, Nordseeöl und -gas seien notwendig für einen sanften Übergang zur Null-Emission. „Cambos“ Schicksal steht jetzt auf der Kippe. Immerhin wird der Ölkonzern in London nun vielleicht freundlicher als neuer Nachbar begrüßt: Der traditionell niederländische Konzern Royal Dutch Shell hatte erst im November beschlossen, sein Hauptquartier an die Themse zu verlegen.
5 Dec 2021
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Gericht verbietet „seismische Erkundungen“ vor Südafrikas Wild Coast. Das umstrittene Vorhaben hatte Proteste auf den Plan gerufen.
Der wissenschaftliche Konsens zum Menschen als Ursache des Klimawandels hat zugenommen. Lag er 2013 noch bei 97 Prozent, sind es inzwischen 99.
Die Beschlüsse der Klimakonferenz von Glasgow werden auch die künftige Politik in Berlin beeinflussen. Ein Überlick.
Die US-Stadt Midland lebt vom Öl. Präsident Biden stellt das Geschäftsmodell auf den Prüfstand. Manche fühlen sich verraten.