taz.de -- Ästhetik der Antigentests: Design zum Wegwerfen
Corona-Schnelltests sind ein Werkzeug des Alltags. Doch auch sie müssen irgendwie gestaltet sein. Die Unterschiede liegen im Detail.
Die Pandemie hat neue Gegenstände in unser Leben gebracht. Manche davon gab es vorher schon, wie FFP2-Masken oder kontaktlose Desinfektionsspender. Manche wurden extra erfunden – so wie die [1][Antigen-Schnelltests]: kleine rechteckige Plastikkassetten, die mich an Spielekonsolen-Zubehör aus den 1980ern erinnern oder an billige Raumschiffteile.
Die Schnelltests, die ich im Laufe des Jahres zu Hause durchgeführt habe, habe ich in einem alltagsarchäologischen Anfall aufgehoben. Doppelte habe ich aussortiert, zehn unterschiedliche sind zusammengekommen. Lege ich sie nebeneinander, kann ich einiges über [2][Produktdesign] lernen.
Da ist nun also ein neues Ding in der Welt, das muss irgendwie aussehen. Dabei ist ein Antigen-Schnelltest ein Werkzeug und ein Wegwerfgegenstand. Niemand kauft ihn für seine Optik. Um ihn effizient und fehlerfrei zu bedienen, muss er nur zweckmäßig sein. Das hat zu einem standardisiertem Aussehen geführt: Länglich ist so ein Schnelltest, fast immer 19 x 69 Millimeter groß, mit leicht abgerundeten Ecken. Oben steht, was es ist, dann kommt das Ergebnisfeld, in dem ein – hoffentlich nur einer! – oder zwei Striche erscheinen. Daneben C („Control“) und T („Test“), darunter die Eintropfstelle. Fertig.
Und doch sind alle die Schnelltests verschieden, denn jeder birgt diverse unumgängliche gestalterische Entscheidungen. Das fängt schon mit der Farbe an. Weißlich sind sie alle, changieren aber von einem taubengraubläulichen Ton über Schneeweiß bis zu einem warmen Beige. Dann die Schrift: Mal ist sie schwarz, mal blau, mal grau gedruckt, mal sind die Buchstaben nur leicht erhaben oder vertieft Teil der weißen Kassette.
Auch was dort steht, differiert. [3][„Sars-CoV-2“ oder „Covid-19“], das ist eine große Frage. Der Zusatz „Antigen“ oder auch „Ag“ ist optional. Mitunter gibt es noch „ID“, mit oder ohne Doppelpunkt, mit oder ohne Linie. Nur im Ausnahmefall steht der Hersteller mit auf dem Test – Hotgen, MEDsan, NowCheck, über diese Namen könnte man einen eigenen Text schreiben – und an dieser Stelle kommt mit einem kleinen Schmetterling auch ein seltenes Schmuckelement ins Spiel.
Weiter geht es beim Ergebnisfeld: Mal ist es rechteckig, mal sind die Ecken leicht gerundet, mal hat es die sogenannte Stadionform. Meist stehen C und T in Hochkant-Leserichtung und rechts vom Feld – aber nicht immer. Auch die Form des Eintropffeldes variiert zwischen rund, länglich und tropfenförmig. Ebenfalls variabel ist, ob es sich um eine reine Vertiefung handelt oder ob der Rand des Feldes leicht erhaben ist. Optional ist der Buchstabe S – wofür mag das stehen? –, genauso wie ein zusätzlicher kleiner Pfeil unter dem Feld oder eine leichte Einkerbung am unteren Rand.
Einer der Tests hat dazu geschwungene Vertiefungen, einfach so. Hier fängt das reine Design jenseits von Funktionalität an. Genau wie bei denen, wo es unter der Schrift noch eine dritte Öffnung gibt. Oder soll sie der Lüftung dienen?
Irgendwie, denke ich mir, sind die Tests wie Schneeflocken: klein, weiß, von Weitem gleich und von Nahem doch immer anders. Und wer zwei gleiche findet, darf sich was wünschen!
5 Dec 2021
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der künftige Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) rät von Reisen an Weihnachten ab. Scharfe Kritik kommt von der CSU. In Dänemark steigt die Zahl der Omikronfälle.
Die Ausstellung „Deutsches Design 1949–1989. Zwei Länder, eine Geschichte“ macht Station in Dresden. Ost und West zeigen sich ähnlicher als gedacht.
Auf Bauhaus-Spuren: Von Dessertschalen mit abgerundeten Ecken, die sich gut stapeln lassen und der Friedrich-Ebert-Siedlung am Nachtigalplatz.
Vor 30 Jahren begannen schwarze Jungs, ihre Turnschuhe auf den Straßen der Bronx zu tragen. Heute werden Modelle für Tausende Euro verkauft.