taz.de -- Bremer SPD geht gegen Obdachlose vor: Verbot von Treffen an Haltestellen

Bremens Innensenator will Obdachlose und Drogenszene vom Bahnhof fernhalten. Die Linke kritisiert das als Vertreibung.
Bild: Sollen nicht mehr von Obdachlosen zum Treffen benutzt werden: Haltestellen am Bremer Hauptbahnhof

Bremen taz | Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) will mit einer Änderung des Ortsgesetzes verhindern, dass die Haltestellen am Hauptbahnhof zum Trink- und Lagerplatz von Wohnungs- und Obdachlosen und der Drogenszene werden. Die Linke kritisiert das als Vertreibung und fordert Alternativen. Darüber empört sich wiederum die CDU.

Der Gesetzentwurf verbietet die Nutzung der Bahnsteige und Haltestellen „entgegen ihrer Bestimmung für öffentliche Verkehrszwecke“, insbesondere „zum Lagern, zum Genuss von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln“. Das Gesetz würde zwar für alle Haltestellen in Bremen gelten, aber es geht vornehmlich um den Hauptbahnhof. Dort würden Fahrgäste die überdachten Haltestellen mit ihren Bänken faktisch kaum noch nutzen, heißt es im Weser Kurier.

„Das wird es mit uns nicht geben“, twitterte Sofia Leonidakis, Fraktionsvorsitzende der Linken. Das wiederum kritisiert die CDU vehement. Die Linke wolle den Bahnhofvorplatz zum Ort für „dauerhafte Sauftreffs“ erklären, heißt es in einer Pressemitteilung des innenpolitischen Sprechers Marco Lübke. Trinkende und Drogenabhängige belagerten ganztägig die Sitzbänke, so könne es nicht weitergehen. Der Polizei seien durch das Ortsgesetz die Hände gebunden, der Vorstoß der Innenbehörde sei vollkommen richtig, so Lübke. Menschen auf der „schiefen Bahn“ werde nicht geholfen, wenn man sie nicht damit konfrontiert, dass ihr Verhalten zum Problem für Mitmenschen wird.

Katharina Kähler vom Verein für Innere Mission betont, dass es um eine sehr heterogene Gruppe von Menschen in schwierigen Lebenslagen geht, unter denen auch Menschen mit Drogenkrankheit oder Betroffene von Wohnungs- und Obdachlosigkeit sind. Sie wünscht sich mehr langfristig betreute und finanzierte Aufenthaltsorte. Mit dem bisherigen [1][Szenetreff am Hauptbahnhof] habe die Innere Mission bereits gute Erfahrungen gemacht.

Bei dieser Forderung zieht auch der Innensenator mit. Der Gesetzentwurf sei Teil eines Gesamtpakets, dazu gehörten auch ein Ausbau der Hilfsangebote und akzeptierten Treffpunkte, sagt Pressereferentin Gerdts-Schiffler. Die Bremer SPD hat zudem erst kürzlich Voraussetzungen für einen „Hauptbahnhof für alle“ erarbeitet, darunter kostenlose Toiletten und betreute Aufenthaltsorte.

Leonidakis betont, dass Willensbekundungen allein nicht ausreichen werden und erwartet konkrete Ansätze, die von allen Seiten, auch in der Szene, akzeptiert werden. Das sei Voraussetzung, dem Gesetzesvorschlag des Innensenators zuzustimmen, sagt sie. Thomas Pörschke wiederum, Obdachlosensprecher der Grünen, kann sowohl den Innensenator als auch die Linke gut verstehen. Er wünscht sich, dass der Konflikt nicht eskaliert.

10 Nov 2021

LINKS

[1] /Neuer-Aufenthaltsort-fuer-Obdachlose/!5582097

AUTOREN

Paul Petsche

TAGS

Junkies
Bremen
Obdachlosigkeit
Ulrich Mäurer
Jugendhilfe
Polizei Bremen
Polizei Bremen
Wohnungslose
Die Linke Bremen
Obdachlosigkeit

ARTIKEL ZUM THEMA

Vorwürfe gegen Flüchtlingseinrichtung: „Aufgenommen und angezeigt“

Die Bremer Innere Mission soll die ihnen anvertrauten minderjährigen Geflüchteten wegen illegaler Einreise angezeigt haben und dementiert die Vorwürfe.

Polizei am Bremer Hauptbahnhof: Schieben und abschieben

Bremens Innensenator räumt ein, dass seine Vertreibungspolitik gegen die Drogenszene am Bahnhof erfolglos ist. Dennoch setzt er auf mehr vom Gleichen.

Vertreibungsaktion am Bremer Bahnhof: Großaufgebot gegen Drogenabhängige

Die Polizei geht mit einer Hundertschaft gegen die Trinker- und Drogenszene am Bremer Bahnhof vor. Unklar ist, wohin die Leute sonst bleiben sollen.

Wegfall öffentlicher Toiletten in Bremen: Ein Problem mehr für Obdachlose

Wegen der Pandemie stehen in Bremen weniger öffentliche Klos zur Verfügung. Vor allem Wohnungslose leiden darunter.

Streit über Bremer Stadthalle: Zaun entzweit Linke

Ein Zaun hält Jugendliche und Wohnungslose von der Stadthalle fern. Die Linke im Stadtteil Findorff ist empört. Die linke Wirtschaftssenatorin nicht.

Neuer Aufenthaltsort für Obdachlose: Zaun, Betonbänke, Dixi-Klo

Ein neuer „Szenetreff“ soll Obdachlose und Junkies vom Bremer Hauptbahnhof weglocken. Die Sozialsenatorin findet die Aufenthaltsqualität „ausbaufähig“.