taz.de -- Robert Habecks erstes Mal Wählen: Ein durchaus feierlicher Moment

Robert Habeck stimmte für die SPD, als er 1987 erstmals wählen durfte. Kurz zuvor war die Affäre um CDU-Mann Barschel bekannt geworden.
Bild: Habecks erstes Mal: Zwei Kreuze für die SPD im Jahr 1987

Bei meiner ersten Wahl habe ich die SPD gewählt. Und das kam so: Uwe Barschel vs. Björn Engholm – für die Schleswig-Holsteiner*innen ist diese Auseinandersetzung, obwohl nun über dreißig Jahre her, so was wie die Mutter aller Wahlkämpfe. Und für mich auch. Die [1][Skandale und Intrigen bis hin zum Tod von Uwe Barschel] in einer Hotelbadewanne in Genf füllen Bücher, und immer wieder werden neue Geschichten geschrieben. Und wenn man heute mit Protagonisten der Zeit redet, dann ist für sie diese Wahl noch immer gegenwärtig.

Protagonist war ich nicht. Aber die Landtagswahl 1987 war meine erste Wahl. Und ich erinnere mich noch gut an die Stimmung im Land, die offene Feindschaft zwischen den Parteien, ein Wahlkampf, der keine Gegner hatte, sondern Feinde. Ich war knapp vor der Landtagswahl 18 Jahre alt geworden. Am Wahltag selbst hatte ich irgendwas vor, deshalb ging ich ein paar Tage vorher ins Rathaus und machte Briefwahl.

Ich weiß, dass ich das als durchaus feierlichen Moment empfand. Vergleichbar vielleicht nur mit meiner Vereidigung als Minister eine paar Jahrzehnte später. Ich fühlte mich als Bürger und erwachsen und mündig und ernst genommen. Wahlen sind nicht nur ein Recht, sie nehmen einen auch in die Pflicht. Sie binden einen in die Verantwortung mit ein.

Und es war für mich völlig klar, dass ich Björn Engholm wählen würde. Er war damals für viele Menschen der Hoffnungsträger, klug, intellektuell, progressiv, charismatisch und vor allem gewillt, sich mit der schwarzen Macht, die das Land seit Dekaden regierte, anzulegen. Später traf ich Björn Engholm als Politiker ein paar Mal. Und jedes Mal dachte ich: Er hat vielleicht die Enttäuschung verarbeitet, mir hing sein politisches Scheitern noch nach.

Denn die Geschichte geht so weiter: Die SPD unter Björn Engholm brach die absolute Mehrheit der CDU und wurde stärkste Kraft (mit 45 Prozent), nachdem der Spiegel wenige Tage vor der Wahl die Barschel-Affäre enthüllt hatte. Die Grünen scheiterten erneut an der 5-Prozent-Hürde. Die FDP kam jedoch in den Landtag, sodass es ein Patt gab zwischen CDU/FDP und SPD und der Partei der dänischen Minderheit, dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW).

Uwe Barschel trat Anfang Oktober zurück und nach einer dramatischen Hängepartie wurde neu gewählt, am 8. Mai 1988. Auch da gab ich Björn Engholm meine Stimme. Wie 54 Prozent der Wähler*innen. Die Grünen verloren nochmals gegenüber 1987.

Björn Engholm wurde Ministerpräsident, das Land begann einen liberalen Aufbruch, er wurde Parteivorsitzender der SPD – und musste dann selbst ein paar Jahre später zurücktreten, nachdem die sogenannte Schubladenaffäre ans Licht brachte, dass die SPD von den Machenschaften Barschels schon vorher wusste und sie sich zunutze gemacht hatte. Danach wählte ich immer die Grünen.

Als ich selbst in den Landtag einzog, 2009, versuchte ich, so gut ich konnte, meinen Beitrag zu leisten, damit mein Land mit seiner wüsten politischen Kultur aus den Schützengräben rauskommt. Sicher ist: Die Person, [2][die ich politisch geworden bin], und die Rolle, die ich für die Grünen im Parteiensystem sah und sehe – beides liegt auch an den Erfahrungen meiner ersten Wahl.

Protokoll: Adrian Breitling

14 Sep 2021

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Adrian Breitling

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