taz.de -- Ekelessen Pizza-Leberkäse: Fleisch! Püriert! Jetzt mit Eiter!
Pizza-Leberkäse ist das neue glibberige Ding im Männer-Ernährungssegment aka Fleisch- und Wurstmarkt. Es ist so widerlich, wie es klingt.
Latte Macchiato, Einhornwasser, die Bezeichnung „Fritten“: Sie gelten gemeinhin als Symbole des hipsterveganen Kulturverfalls, der solide deutsche Wertarbeit mit Lifestyle-Schmond verübelt. Doch auch auf dem traditionellen Männermarkt, wo hinter Zigarrenrauch und Benzingeruch das Reich der reinen Vernunft noch sicher im Sattel sitzt, wo Jagdgewehr und Kettensäge den durch kein störendes Geplänkel unterbrochenen Takt der Noch-in-Ordnung vorgeben – auch hier ist vor dem Schein kein Entkommen.
Die neue Generation Autoschrauber und Sparkassen-Azubis will es (und sich) schließlich auch recht schön und präsentabel haben, sich wohl und am richtigen Platz fühlen und greift deswegen vermehrt zu Produkten wie Bartöl, Männermüsli und dem an dieser Stelle [1][schon besprochenen Flascheneiweiß].
Besonders verstörend ist dieser Trend auf dem Fleisch- und Wurstmarkt. Fleisch ist an sich kaum cooler als eine Versicherung oder eine elektrische Zahnbürste; es ist schwer zu kauen, manchmal sogar blutbesprenkelt – wohl darum wird für alle drei ein Werbezinnober getrieben, den das Stuhlbein, die Oper oder die gedünstete Weinbergschnecke schmerzlich missen.
Klar: Fleisch ist gut „in Form“, lässt sich – besonders in der so verbreiteten, hürdenärmeren, vollpürierten Darreichungsweise – widerstandslos in jede der fünf Dimensionen biegen. Mit „Bärchenwurst“ fing es an, der zynisch grinsenden Wiederauferstehung des Tiers in der Pressmasse. Kinderzunge speichelte. Mit der nach jugendlicher Unterhose stinkenden „Bifi“ ging es weiter; folgten „Bifi to go“, Pomm-Döner, Burger aller Art.
Der neueste Clou der Oberschlächter nennt sich: „Pizza-Leberkäse“. Und ist so absatzstark wie abominabel. Fleisch- und Leber-„Käse“ sind an sich schon eine Qual. Püriert, in eine Brotform geschichtet und mit Eiswasser gemischt, glibbert die Masse im Backofen fest und wird mit seinerseits glibbrigem Ei und toten Kartoffeln reingeschaufelt in das Männermaul, auf dass Kraft die zu fällenden Entscheidungen durchströme und den Darm lahmlege.
Überdies gibt es „Käse-Leberkäse“ – der gleiche Spaß mit gelblichen Würfeln drin, die Käse sein sollen, sich aber vor allem durch eitriges Hinauslaufen auszeichnen. Das „Pizza“-Objekt besteht, dazu noch, aus dünnen, roten, Paprika mimenden Fäden sowie gelegentlichem Schrumpelpilz.
Und jetzt schnallen Sie Ihren Fleischbrei namens Körper mal ganz feste an: Denn es finden sich in den Weiten des Internets tatsächlich sehr populäre Rezepte für „Leberkäse-Pizza“. Ob man die auch mit Pizza-Leberkäse belegen kann? Und mit extra Käse? #geil #lecker #fettegönnung
12 Sep 2021
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Cappuccino heißt kleine Kapuze. Mit der schmeckt Kaffee am besten. Aber moderne Baristi servieren Blattmotive. Oder noch schlimmer: Schaumherzen.
Unser Autor hat Probleme, die meistens etwas mit Essen zu tun haben. Darüber schreibt er hier jetzt zum letzten Mal.
Iss morgens wie ein Fürst, dass du groß und kräftig würst? Von wegen! Der Morgenmampf ist ein innen noch flüssiger Gesamtalbtraum.
Was vom Tage in einer Wasserflasche übrigbleibt, sind Sekrete, Mikropartikel, Reste, Schleim. Ein Horror, den die Sodamaschine noch potenziert.
Die Dienstbotifizierung macht vor nichts halt, auch nicht vorm Supermarkt. Lieferdienste wie „Gorillas“ sind der letzte Schrei des Start-up-Irrsinns.
In Köln steht an jeder Ecke ein Rewe und dazwischen noch drei weitere. Dabei ist Rewe nur ein schlechterer Aldi mit höheren Preisen. Eine Abrechnung.