taz.de -- Über das Abschied nehmen: Ein Ende mit Schmecken
Unser Autor hat Probleme, die meistens etwas mit Essen zu tun haben. Darüber schreibt er hier jetzt zum letzten Mal.
Unser Autor Adrian Schulz hat für die taz monatlich über Dinge geschrieben, die ihm den Appetit verderben. Mit dieser letzten Kolumne verabschiedet er sich.
Ich habe sehr viele Probleme und sie sind alle wahnsinnig interessant. Das war die Prämisse dieser Kolumne, die mit dieser Folge zu Ende geht und die je nach Gaumen klar oder tranig daherkam, welk oder knusprig, frisch oder faulig. Selten hat sie ein Geheimnis daraus gemacht: Ungenießbar, das ist nicht nur die Welt da draußen, sondern oft genug ihr Autor selbst.
Weil es großen Spaß bereitet, offenzulegen, was sowieso alle wissen, dreht sich dieser letzte Text also ganz unverhohlen um: mich. Ich bin ein junger Autor mit einer gelegentlich blühenden, häufiger wolfenden und wurstenden Fantasie, die, was sie von der Welt erreicht, püriert, verdaut, zusammenmantscht. Und verwundert bis erschaudernd wieder auswirft. Damit durfte ich in den vergangenen sechs Jahren mein Glück als Alltagsterrorist in linken Zeitungen versuchen, mich in miniaturhafte Aufregungen hineinsteigern und Feinde erkennen, wo andere nur Krümel sehen.
Diese Pose droht jedoch, auch das wissen eigentlich alle, aber beachten es kaum, allzu leicht zu dem zu werden, was sie veralbern will. Klar, Abgrenzung wird unterschätzt, aber wer sein Leben zu einer Folge angeekelter Distanzierungschoreografien verkommen lässt (und glauben Sie mir, ich kenne solche Fälle), tut so, als nähme er oder sie selbst keine Position ein; als sehne er oder sie sich nie nach irgendeinem Ernst; kühlt aus.
In den besten Momenten habe ich diese inneren und äußeren Ungenießbarkeiten so zu übersteigern versucht, dass die Wärme und Neugier durchschimmern, die in ihrer Mitte liegen. In den schlechtesten Momenten bin ich ihrer Versuchung erlegen: der Versuchung, das alles zu ernst – und so zugleich nichts mehr ernst – zu nehmen. Hass ist für manche eine bittere Notwendigkeit, für manche aber auch ein (meist unbemerktes) Privileg; nicht zuletzt das Privileg der Jugend. „Seltsam“, denkt die geneigte Leserin, „der junge Mann dürfte noch gar nicht so lange im heiratsfähigen Alter sein und leitet nun schon wieder zu einer Distanzierungschoreografie über. Und zwar, indem er von Distanzierungen abschwört!“
Ich möchte diesen berechtigten Zweifel keinesfalls mit einer Distanzierung dritter Ordnung überdecken, sondern vielmehr mit dem Blick in die Zukunft: Für den symbolischen Kaufpreis von einem Euro wechsele ich im nächsten Monat zur Konkurrenz von – na, das müssen Sie jetzt schon selbst herausfinden! (der Redakteur). Privat werde ich eine Menge toller Sachen kochen.
Und Sie? Ich bin mir sicher, wir werden uns wiedersehen. Um mit dem Anfang zu enden: Probleme sind natürlich keine dornigen Chancen. Aber wer schräg liegt, kommt schneller um die Kurve.
30 Oct 2021
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