taz.de -- Dyhzy in Argentinien: Die Dragqueen und der Präsident
Auf Instagram ist Dyhzy ein Star. Sein*ihr Vater ist Argentiniens Staatschef Alberto Fernández. Dieser hat nun ein wegweisendes Dekret erlassen.
Buenos Aires taz | Estanislao Fernández ist das Kind des argentinischen Präsidenten Alberto Fernández. Besser bekannt ist die 26-jährige Person unter dem Namen Dyhzy, mit dem sie sich als Cosplayer*in und Dragqueen präsentiert. [1][Auf Instagram hat Dyhzy rund 440.000 Follower.] Der Vater und sein Kind haben ein gutes Verhältnis.
Wenn der Präsident sich öffentlich über sein Kind aus erster Ehe äußert, dann nur positiv. Die Künstler*in hatte ihren Vater bei dessen Einführung ins Präsidentenamt im Dezember 2019 denn auch sichtlich stolz begleitet. Brav im Anzug und mit Krawatte, aber mit einem auffallend regenbogenfarbenen Tuch in der Brusttasche. „Mein Vater war immer präsent, hat mich oft von der Schule abgeholt. Auch als er Kabinettschefs war oder während der Scheidung von meiner Mutter“, erzählt der*die 26-Jährige.
Allerdings habe ihm sein Name Estanislao nie gefallen. „Ich konnte mich nie mit diesem Namen identifizieren, nennen Sie mich also bitte nicht so.“ Sein*ihr erstes Mal im Drag sei für ein Fotoshooting einer Freundin gewesen. Anfangs habe die Künstler*in es vor den Eltern verheimlicht aus Angst, sie würden es ablehnen. „Im Katechismusunterricht wurde mir beigebracht, dass Homosexualität etwas Unwürdiges ist.“
Dyzhy wäre für ein öffentliches Amt ungeeignet, weshalb er*sie auch keines anstrebe. Zusammen mit seiner*ihrer Lebensgefährtin, einer Fotografin und Visagistin, lebt er*sie in Buenos Aires. „Ich fühle mich auch nicht als Peronist oder als Kirchnerist“, meinte der*die 26-Jährige in Bezug auf die politische Ausrichtung des Vaters. [2][Dabei wäre es leicht, einen Anknüpfungspunkt zu finden:] „Die Arbeit als Dragqueen in den Nachtclubs wird schlecht bezahlt. Unter der Hand geben sie dir ein paar Hundert Peso und sagen, das reicht für deinen Auftritt“, so Dyhzy.
Das Dekret geht manchen nicht weit genug
Vergangene Woche hat Alberto Fernández per Präsidialdekret verfügt, dass es zukünftig Ausweise auch für nichtbinäre Menschen geben wird. Zu den traditionellen Geschlechtsbezeichnungen „M“ und „F“ für Mann und Frau kommt eine geschlechtsneutrale Zuordnung mit dem Buchstaben „X“ zur Auswahl hinzu. Dyhzy hat bereits angekündigt, die genderneutralen Ausweise beantragen zu wollen. „Es gibt verschiedene Typen innerhalb des Spektrums: männlich, weiblich, nichtbinär, queer, fließendes Geschlecht.“
Genau dies war bei der feierlichen Unterzeichnung des Dekrets Anlass zum Protest. Während der Präsident symbolisch den ersten Ausweis überreichte, enthüllte die empfangende Person den Schriftzug „No somos X“ auf ihrem T-Shirt. „Wir sind kein X, das innere Gefühl ist kein X“, rief jemand lautstark aus dem Publikum. Klar gebe es andere Formen, reagierte Präsident Fernández sachlich. Aber hinter dem Dekret stehe auch eine internationale Vereinbarung, die solche Rechte auf nationaler Ebene nur im begrenzten Maße zulasse. „Es ist ein Fortschritt, wir sollten dies nicht leugnen“, so der Präsident.
25 Jul 2021
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Lulla la Polaca prägte die queere Szene Warschaus. Mit über 70 trat sie erstmals als Dragqueen auf. Eine Begegnung in der Hauptstadt.
Nach einem Jahr Coronapause zieht die Pride-Parade wieder durch Berlin. Dieses Mal liegt der Fokus auf dem Protest gegen Gewalt gegen queere Menschen.
Beim Referendum über LGBTQ liefert Ungarns Regierungschef die Antwort gleich mit. Und Orbán weiß: Echten Druck hat er aus Brüssel nicht zu erwarten.
Nach der Absage einer Pride hetzt die orthodoxe Kirche wieder gegen sexuelle Minderheiten. Mehr denn je fürchten Queers dieser Tage um ihr Leben.