taz.de -- Die Wahrheit: Hip-Hop-Hopfen mit Landei

Der 23. April ist der Tag der Tage – und hat von Büchern bis Bier einiges zu tragen auf seinen schwachen Schultern.
Bild: Am Tag des Bieres wird im Kerntrinkerland traditionell massenhaft Gerstensaft verspritzt

Es gibt Tage, die kommen relativ unbehelligt davon, werden nicht pädagogisch zeigefingerig überladen oder mit Bedeutungsmist zugeschmissen. Klaglos versehen sie ihre Tagschicht, um hernach im Vergessen zu verschwinden. Nicht so der 23. April, der unter einer Quadrupelbelastung schier zusammenbricht: Welt-Labortag, Welttag des Buches, Welttag der englischen Sprache und, besonders wichtig, Tag des Deutschen Bieres. Deutsch wird hier natürlich großgeschrieben.

Um den Labortag müssen wir uns hier nicht kümmern, Labore erfahren in pandemischen Zeiten ausreichend Aufmerksamkeit, und nicht wenige Laborratten haben nationale Berühmtheit erlangt. Damit sind wir schon beim Welttag des Buches: In keinem Land der Welt wird das Buch so geschätzt wie in Deutschland. Die Deutschen sind bei ihren Nachbarn als Volk der Buchhalter bekannt. Sie lieben ihre Bücher kaum weniger als ihre Tiere. Buchfinken, Bücherwürmer, Blattläuse, sogar Seitenspinnerraupen, letztere verzehren sich in ihrer Liebe zu Büchern, und die Bücher gleich mit.

In Regalen leistet das Buch dem Menschen treue Dienste: als Lärmschutz oder als Isolierung gegen die Kälte. Schöngeister setzen mit farblich aufeinander abgestimmten Buchrücken bunte Tupfer in ihre Wohnstuben oder täuschen mittels Folianten Gelehrigkeit vor. Viele Menschen sind Büchern derart verfallen, dass sie die ihren gleich doppelt führen und sich alsbald in trockenen Tüchern wähnen. Nicht selten werden sie dafür eingebuchtet. Ein Welttag des Buches – passt.

Kreuzweise Kochen

Englische Sprache – okay, die kann sich bei uns nicht über Unterbeschäftigung beklagen, allein schon die Küche zwischen Take Away und Fast Food – wobei sich die Frage stellt: Ist das „fast“ überhaupt englisch? Gern wird crossover gekocht, also kreuzweise, mit Feelgood-Suppen zum Candlelight Dinner, wegen der Fitness beziehungsweise Wellness; gern mit Hendl light, also solche, die jenseits von Klöcknerbatterien aufgewachsen sind und früher Landeier gelegt haben, im Gegensatz zu den verwerflichen Stadteiern, die unter „downtown eggs“ firmieren müssten. Okay, folks, we had the book, the English – and what the f*** is „Labor“ in English? Whatever, let’s have a beer!

Drei Tage nach dem Welt-Marihuana-Tag kommen die Genussgiftler mit dem Tag des deutschen Bieres erneut zu ihrem Recht. Das ist gut so. Bier ermöglicht Vollbeschäftigung, Betonung auf „voll“. Das Alkaloid Hordenin im Gerstenmalz aktiviert glücklicherweizen die Rezeptoren im Belohnungszentrum des Gehirns. Soweit Hirn vorhanden.

Wo bleibt die Weindusche?

Gegen Bier sprechen höchstens: Bierzelte. Bierbäuche. Bierfürze. Gibt’s beim Wein alles nicht. Jemals von einer Weindusche nach einer Weltballfußmeisterschaft gehört? Na bitte! Biertrinker haben oft sogar so viel intus, dass sie die Moral doppelt sehen. Aber: Angeheitert ist nicht heiter.

Anyway: In den letzten Jahren schießen bei uns überall sogenannte Mikrobrauereien aus dem Boden, wie in Amerika, eine wahre Mikrowelle rauscht über das Land, Bier-Connaisseure brechen mit gezücktem Vergrößerungsglas in der Hand zu ausgedehnten Expeditionen durch Getränkemärkte auf und entdecken die absurdesten Namen zu den abstrusesten Mischungen: „Hip-Hop-Hopfen“, „Hinterpichlers Kreativbräu“ oder „Rudis Raspberry Wheat“. Es gibt sogar ein Craftbeer namens „Quadrupel“. Womit wir endlich wieder beim Ausgangspunkt wären: Die Gedenktag-Überfrachtung, Quadruple eben.

Den 23. April gilt es, dringend pfleglich zu behandeln, ja zu schützen, damit er nicht unter der Last seiner Repräsentationspflichten zusammenbricht. Wie ein rohes Landei, a „country egg“. Der Tag des Weins ist übrigens am 25. Mai.

23 Apr 2021

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Thomas C. Breuer

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