taz.de -- Putsch in Myanmar: Rechnung ohne das Volk
Myanmars Generäle haben sich in ein Dilemma manövriert. Sie haben beim Coup unterschätzt wie breit der Widerstand der Bevölkerung werden würde.
Yangon taz | Nur wenige Tage nachdem das Militär [1][geputscht] und Präsident Win Myint und die faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi festgesetzt hat, begannen junge Menschen in Myanmar [2][gegen den Militärputsch zu protestieren], darunter auch viele Angehörige der ethnischen Minderheiten. Die protestierende Jugend nennt sich „[3][Generation Z]“ und fordert Beamte und Staatsangestellte auf, sich an der „[4][Bewegung des Zivilen Ungehorsams]“ (CDM) zu beteiligen.
Und tatsächlich: Zuerst schlossen sich Ärzt:innen und Krankenpfleger:innen CDM an. Inzwischen sind Mitarbeiter:innen der Ministerien ebenso dabei wie die der Staatsmedien, des Transportwesens und der Elektrizitätswerke. Die Armee versuchte zunächst streikende Angestellten durch Militärangehörige zu ersetzen. Doch war das erfolglos, denn dafür nahmen einfach zu viele an der CDM-Bewegung teil.
Also begann die Militärregierung, Protestierende zu bedrohen und zu verhaften. Auch das half nicht. Inzwischen stellen sich viele Bürger:innen hinter die „Generation Z“ und fordern: „Weg mit der Diktatur, weg mit der Verfassung von 2008, her mit einem föderalen Bundesstaat“.
Das Bemerkenswerte: Obwohl junge Leute der „Generation Z“ die Protestbewegung anführen, haben sich bislang keine Organisationen oder Persönlichkeiten an die Spitze der Bewegung gesetzt. Das Militär kann deshalb keine Anführer:innen ins Gefängnis werfen und so die Bewegung schwächen.
Obwohl die Militärs Studentenführer:innen, hohe Funktionär:innen der bisherigen Regierungspartei NLD und einige bekannte Aktivist:innen einsperrten und Razzien in NLD-Büros durchführte, hat dies die Proteste nicht geschwächt, sondern in vielen Regionen sogar noch gestärkt.
Der Plan der Armee ist es, die Unterstützer:innen der NLD zu spalten und deren Führerin Aung San Suu Kyi aus der Politik zu drängen. Denn das Militär will die Politik des Landes wieder allein bestimmen – mithilfe der Verfassung von 2008, die ihm einen starken Einfluss sichert. Sie gibt dem Militär 25 Prozent der Sitze in beiden Kammern des Parlaments und die Hoheit über die drei Sicherheits-Ministerien Verteidigung, Inneres und Grenzkontrolle.
Putsch statt Rente
Um Staatspräsident zu werden, benötigt ein Kandidat laut Verfassung mehr als 50 Prozent der Stimmen der Abgeordneten. Die militärnahe Partei USPD hatte damit gerechnet, bei den Wahlen 26 Prozent der Sitze zu bekommen, was zusammen mit dem 25-prozentigen Anteil der Armee die Mehrheit bedeutet hätte, um den Staatschef stellen zu können.
Der Armeechef [5][Min Aung Hlaing] wollte Präsident werden und nicht im Juli mit 65 in Rente gehen. Doch die Wahlen machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Deshalb putschte er. Doch gibt es innerhalb der Armee unterschiedliche Interessen. Die Verfassung sichert den Generälen beträchtliche Einnahmen, da die Firmen des Militärs die Rohstoffe des Landes kontrollieren.
Bald könnte es unter den Generälen Konflikte geben, wenn sie um ihre Geschäfte und die Sicherheit ihrer Familien fürchten müssen. Denn Sanktionen der internationalen Gemeinschaft könnten ihre Deals und Profite schmälern. Auch könnten ihre Kinder ihre Studienplätze im westlichen Ausland verlieren. Über die Korruption von Min Aung Hlaing und seiner Familie und ihr Geschäftsimperium dürften es heiße Debatten unter den Generälen geben.
Putschführer Min Aung Hlaing hat sich verrechnet und seinen Coup nicht gut geplant. Er hat die Macht der sozialen Medien unterschätzt, mit deren Hilfe die jungen Leute kommunizieren. Und er hat die Fähigkeiten der „Generation Z“ nicht einkalkuliert.
Wird das Militär die Proteste blutig niederschlagen? Oder vielleicht doch mit Aung San Suu Kyi und ihrer NLD verhandeln? Das dürfte auch davon abhängen, wie entschlossen und vereint die Bevölkerung weiterhin für echte Demokratie kämpft.
17 Feb 2021
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