taz.de -- Professor zu Futterproduktion: Ist Menschenrechte verletzen okay?
Arme Staaten verlören Wettbewerbsvorteile, wenn sie Arbeitsbedingungen verbessern, sagt der Agrarökonom Michael Schmitz. Er erntet Widerspruch.
Berlin taz | Ein von Landwirtschaftsmedien prominent zitierter Agrarprofessor hat Menschenrechtsverletzungen bei der Produktion von Futtermitteln wie Soja in Südamerika verteidigt. „Auch in westlichen Industrieländern sind Menschenrechte erst ab einem gewissen Entwicklungsstand geachtet sowie soziale und ökologische Mindeststandards in der Produktion umgesetzt worden. Das sollte man auch den ärmeren Ländern zugestehen“, schrieb der emeritierte Michael Schmitz in einem Beitrag für den Fachdienst Agra Europe.
„Ansonsten führen wegbrechende Exportgeschäfte zu einem ernsthaften Entwicklungshemmnis, das zu weniger Einkommen und Beschäftigung und zu mehr Hunger und Armut führen kann“, heißt es in dem Text, dem zum Beispiel die beiden größten Internetportale der Branche, [1][agrarheute] und [2][top agrar], sowie der Blog „[3][Bauer Willi]“ eigene Beiträge widmeten.
So argumentierte Schmitz gegen das geplante [4][Lieferkettengesetz], mit dem Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) deutsche Firmen zum Schutz der Menschenrechte bei ihren ausländischen Zulieferern verpflichten wollen. Müller und Heil streben an, dass geschädigte Zulieferer-Beschäftigte hierzulande deutsche Unternehmen verklagen können, die gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen haben. Die [5][Entwicklungsorganisation Oxfam] ruft gerade zu E-Mails an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auf, der das Gesetz blockiere.
„Es ist abzusehen, dass solche Auflagen die Importgeschäfte nicht nur verteuern, sondern vermutlich auch einschränken“, warnte Agrarökonom Schmitz in seinem Text. „Das betrifft vor allem Futtermittelimporte aus Südamerika und Obst- und Gemüseimporte aus verschiedenen Entwicklungs- und Transformationsländern.“ Der Artikel trägt den Titel „Die deutsche Landwirtschaft im ‚perfekten Sturm‘“ und warnt wegen der EU-Pläne für mehr Arten- und Klimaschutz vor einem „grünen Generalangriff“ auf die Branche.
Ein „Bauer Willi“-Leser kritisierte Schmitzʼ Worte als menschenverachtend. „Die Argumentation ist also: Die sind halt noch nicht so weit, dass sie die gleichen Menschenrechte verdient haben wie wir, also lass sie mal machen?!“
Monsanto-Konzern bezahlte Studien
„Menschenrechtsverstöße und Umweltzerstörung durch Unternehmen sind nie und in keiner Weise zu rechtfertigen“, sagte Johannes Heeg, Sprecher der Initiative Lieferkettengesetz mehrerer Entwicklungs- und Umweltorganisationen sowie Gewerkschaften, der taz zu Schmitzʼ Artikel. „Andere Länder haben bereits vergleichbare Gesetze – und es gibt keinerlei Belege dafür, dass sich in der Folge Unternehmen aus bestimmten Regionen zurückgezogen oder Lieferbeziehungen gekappt hätten.“ Viele Rohstoffe gebe es nur in wenigen Ländern in der erforderlichen Menge und Qualität.
Auch das Arbeitsministerium wies Schmitzʼ Behauptung zurück, das Lieferkettengesetz könne die Entwicklung armer Staaten hemmen. Im Gegenteil: Unternehmen an Produktionsorten, die Mindeststandards gewährleisten, hätten einen Wettbewerbsvorteil, wenn die Nachfrage nach fair produzierten Waren wegen Vorschriften wie dem geplanten Gesetz steige.
Schmitz ist immer wieder durch Auftragsarbeiten für die Agrarindustrie aufgefallen. 2019 zog das [6][Journal für Kulturpflanzen] zwei Aufsätze von ihm über das Pestizid Glyphosat [7][zurück.] Er hatte nicht offengelegt, dass der Glyphosat-Hersteller [8][Monsanto ihn für die Texte bezahlt] hatte. Sie wurden als Argumente genutzt, das Mittel weiter einzusetzen, das laut Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation „wahrscheinlich krebserregend“ ist. Schmitz verteidigte sich, die Finanzierungsquellen spielten keine Rolle für die Qualität der Texte.
12 Feb 2021
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Weltweit fordern Menschen eine Landwirtschaft, die Hunger beseitigt und nachhaltig ist. Wie das gehen kann, soll in Rom diskutiert werden.
Der Entwurf für das geplante Lieferkettengesetz liegt vor. Menschenrechtsorganisationen erhalten damit neue Klagemöglichkeiten.
Mehr Schutz für Umwelt und Menschenrechte soll es geben. Doch vorläufig sollen nur Großunternehmen in der Pflicht stehen. Und das auch erst ab 2023.
Die Bundesregierung will deutsche Unternehmen dazu verpflichten, Menschenrechte bei Lieferanten im Ausland durchzusetzen. Verbände können klagen.
Die EU nimmt eine wichtige Hürde hin zu einem Lieferkettengesetz. So mancher sieht die Bundesregierung unter Zugzwang.
Gegen Kinderarbeit und für mehr Arbeitsschutz: Kanzlerin und Minister wollen klären, was aus dem versprochenen Lieferkettengesetz werden soll.
Kleinbauer Wilhelm Kremer-Schillings wettert gegen Beschränkungen des Pestizideinsatzes. Jetzt zeigt sich: Er ist Vorstand eines Agrarchemiehändlers.