taz.de -- Unternehmen sollen in die Pflicht: Hin zu fairen Lieferketten
Die EU nimmt eine wichtige Hürde hin zu einem Lieferkettengesetz. So mancher sieht die Bundesregierung unter Zugzwang.
Brüssel taz | Die EU hat eine wichtige Hürde auf dem Weg zu einem verbindlichen Lieferketten-Gesetz genommen. Der Rechtsausschuss des Europaparlaments nahm am Mittwoch einen Initiativbericht an, der strikte Sorgfaltspflichten für Unternehmen vorsieht. Sie sollen verpflichtet werden, negative Auswirkungen auf die Menschenrechte, die Umwelt und die gute Regierungsführung bei ihrer Produktion und ihren Geschäftsbeziehungen zu vermeiden. Die sogenannte Due-Diligence-Strategie soll die gesamte Wertschöpfungskette umfassen.
Mit der neuen EU-Gesetzgebung soll auch sichergestellt werden, dass Waren, die unter Zwangsarbeit hergestellt werden, nicht auf dem Binnenmarkt platziert werden können. Dies könnte vor allem Importe aus China treffen.
Umstritten war bis zuletzt, ob Unternehmen für Schäden haftbar gemacht werden können, die sich aus Verstößen gegen die geplanten neuen Regeln ergeben. Das letzte Wort hat indes die EU-Kommission. Das Europaparlament sieht seinen Vorstoß als Rückendeckung für Justizkommissar Didier Reynders, der derzeit an einem Gesetzesvorschlag arbeitet. Der Entwurf wird im Frühjahr erwartet.
Ein europäisches Lieferkettengesetz ersetze keine nationale Regelung, erklärte der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken. [1][Es verpflichte Deutschland im Gegenteil dazu, ebenfalls eine gesetzliche Grundlage zu schaffen.] „Bundeswirtschaftsminister Altmaier muss endlich seine Blockadehaltung gegenüber dem Arbeits- und dem Entwicklungsminister aufgeben“, fordert Wölken. Der aktuelle Bericht sieht vor, dass nationale Behörden die Umsetzung des Lieferkettengesetzes überwachen sollen.
Die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini hat sich zudem für die Möglichkeit von Sanktionen ausgesprochen. Gedacht sei an Geldbußen, aber auch an den Ausschluss von Unternehmen von der öffentlichen Auftragsvergabe oder von staatlichen Beihilfen, sagte sie der taz. „Immer mehr Menschen wünschen sich, dass die Produkte, die wir kaufen, frei sind von Menschenrechts- und Umweltverstößen“, sagt Cavazzini weiter. Das Europaparlament mache nun den nötigen Druck – und setze damit auch die Bundesregierung unter Zugzwang.
27 Jan 2021
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die EU will mit einer Verordnung zu Lieferketten verhindern, dass schützenswerte Wälder gerodet werden. Doch so richtig funktioniert das nicht.
Globale Bekleidungsfirmen und ihre Zulieferer vereinbaren einen besseren Schutz der Beschäftigten in Pakistan. Doch ein Punkt fehlt.
Leere Apothekenregale? Was wie ein deutsches Problem wirkt, hat eine tiefer liegende Ursache: ein globales Gesundheitssystem mit wenigen mächtigen Herstellern.
Der Gesetzesvorschlag geht weit über den deutschen Entwurf hinaus. Viele kleinere Unternehmen müssten ihre Lieferanten kontrollieren.
In Malaysia werden zwei Drittel des weltweiten Bedarfs an Einmalhandschuhen produziert. Zwangsarbeit ist an der Tagesordnung.
Mehr Schutz für Umwelt und Menschenrechte soll es geben. Doch vorläufig sollen nur Großunternehmen in der Pflicht stehen. Und das auch erst ab 2023.
Die Bundesregierung will deutsche Unternehmen dazu verpflichten, Menschenrechte bei Lieferanten im Ausland durchzusetzen. Verbände können klagen.
Arme Staaten verlören Wettbewerbsvorteile, wenn sie Arbeitsbedingungen verbessern, sagt der Agrarökonom Michael Schmitz. Er erntet Widerspruch.
Gegen Kinderarbeit und für mehr Arbeitsschutz: Kanzlerin und Minister wollen klären, was aus dem versprochenen Lieferkettengesetz werden soll.
Wegen Corona drohen Lieferausfälle. Ob das den Trend zur „Fabrik Europa“ verstärkt, sei nicht sicher, sagt Ökonomin Lisandra Flach.
Eine neue Studie belegt Ausbeutung in Afrika bei der Kakaoproduktion. Allein in der Elfenbeinküste und Ghana sind 1,5 Millionen Kinder betroffen.