taz.de -- Rechter Terroranschlag in Hanau: Panne und Gedenken

Der Hessische Landtag verspricht entschiedenen Kampf gegen Rassismus. Am selben Tag räumt Innenminister Beuth Pannen in der Tatnacht von Hanau ein.
Bild: Angehörige des Anschlags und Abgeordnete gedenken am Dienstag der Opfer im hessischen Landtag

Berlin taz | Am Dienstagnachmittag hat der Hessische Landtag an die Opfer [1][des rassistisch motivierten Anschlags von Hanau] erinnert. Knapp ein Jahr nachdem neun Menschen mit Migrationsgeschichte getötet worden waren, versprach Landtagspräsident Boris Rhein (CDU) vor Vertreter:innen aller Fraktionen den Angehörigen und Überlebenden einen entschiedenen Kampf gegen jede Form von Rassismus, Hass und Hetze.

„Für uns alle bleibt diese Nacht ein unauslöschbares Datum“, sagte Rhein. Dieser Landtag werde das Andenken an die neun getöteten Menschen nicht vergessen. Rhein verlas ihre Namen und dankte allen Angehörigen, die für die Gedenkfeier in den Landtag gekommen waren. Rhein erinnerte auch an das Holocaustgedenken von vor einer Woche. „Wir erkennen, dass wir 76 Jahre nach der Shoah [2][ein offensichtliches und bedrohliches Problem mit Rechtsextremismus und Rassismus] haben.“

NSU, Halle, Lübcke, Hanau. Wer jetzt „Wehret den Anfängen“ rufe, meine es gut, habe aber nicht verstanden, dass die Gesellschaft bereits mittendrin sei. Zu den Angehörigen sagte Rhein: Er wisse, dass es lange dauern werde, bis sie sich in ihrem Land wieder sicher fühlen könnten.

Zu dieser Einschätzung passen die Nachrichten aus dem hessischen Innenministerium, die kurz vor der Gedenkfeier bekannt wurde. Dort räumte Innenminister Peter Beuth (CDU) einen Engpass beim Notruf der Hanauer Polizeistation in der Tatnacht ein. „Es ist richtig, dass die Polizeistation nur eine begrenzte Anzahl von Anrufen in dieser Nacht entgegennehmen konnte“, erklärte Beuth. Eine Weiterleitung von vielen gleichzeitig eintreffenden Notrufen sei zum Zeitpunkt der Tatnacht technisch nicht möglich gewesen.

Nicht die erste Panne, die bekannt wird

Recherchen von „Monitor“, „Hessischer Rundfunk“ und Spiegel hatten ergeben, dass während der Tatzeit zwischen 21:55 Uhr und 22:09 Uhr gerade einmal fünf Anrufe über den Polizeinotruf 110 registriert wurden. Offenbar sind aber viele Notrufe nicht durchgekommen.

Zahlreiche Zeugen hätten unabhängig voneinander berichtet, dass die 110 während der Tatzeit nicht erreichbar gewesen sei. Polizeiexpert:innen hatten sich dazu irritiert geäußert und eine Untersuchung der Vorwürfe gefordert. Die Hanauer Staatsanwaltschaft leitete ein Prüfverfahren ein. Zuvor hatte sie im Zusammenhang mit einer möglicherweise verschlossenen Notausgangstür an einem der Tatorte bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Innenminister Beuth kündigte am Dienstag Verbesserungen an. Mit dem Umzug des Polizeipräsidiums Südosthessen in die neue Dienststelle werde eine Zentralisierung aller polizeilichen Notrufe des Zuständigkeitsbereichs in einer Leitstelle realisiert.

Am 19. Februar 2020 hatte ein 43-jähriger Deutscher in Hanau neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Nach der Tat soll er auch seine Mutter umgebracht haben, bevor er sich selbst tötete. (mit dpa)

2 Feb 2021

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Ralf Pauli

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