taz.de -- Start des Emissionshandels in China: Ohne Obergrenze fürs Klima
Der chinesische Handel mit Emissionsrechten hat begonnen. Er wird vorerst nur wenige Energiekonzerne zur Kasse bitten.
Nach Jahren der Ankündigungen und regionalen Pilotversuche ist es so weit: China hat einen nationalen Emissionshandel aufgebaut, der am Montag gestartet ist. Bislang greift das Handelssystem nur für die Stromerzeugung. Insgesamt 2.225 Kohle- und Gaskraftwerke sind zur Teilnahme verpflichtet, und zwar rückwirkend für den Zeitraum ab 2019.
Die chinesische Regierung spricht in einer [1][Mitteilung] von „einem wichtigen Ausgangspunkt“ für die Umsetzung der Klimaziele. Auch Umweltschützer:innen finden lobende Worte. „Der Emissionshandel ist essenziell für die Reduktion der Emissionen und die damit verbundenen Kosten“, sagt Zhang Jianyu vom Environmental Defense Fund China.
Die Wirksamkeit des Handelssystems ist aber umstritten. Den Vorwurf fehlender Wirksamkeit musste sich auch [2][der europäische Emissionshandel lange gefallen lassen]. Der hatte unter anderem über Jahre eine viel zu hohe Obergrenze für CO2-Emissionen gesetzt, was zu niedrigen Preisen bei den entsprechend vielzähligen Zertifikaten führte – und zu keinem nennenswerten Effekt für das Klima. Langsam zeigt sich eine Wirkung.
Der chinesische Emissionshandel funktioniert aber ganz anders. Eine Obergrenze gibt es überhaupt nicht, es geht nur um Energieeffizienz. Entscheidend dafür, ob ein Energiekonzern für sein Kraftwerk zahlen muss oder nicht, ist die sogenannte CO2-Intensität. Das ist die Menge an Kohlendioxid, die für eine Megawattstunde Strom in die Atmosphäre entweicht. Wird mehr Strom produziert, können die Emissionen also trotzdem ungebremst weiter steigen.
Großzügiger Grenzwert
Der Grenzwert sei zudem „großzügig“ angesetzt, [3][warnt] die Energieexpertin Qin Yan von Refinitiv, einem US-amerikanischen Dienst für Finanzmarktdaten. Er liegt nämlich in etwa beim Durchschnitt aller Kraftwerke im Jahr 2019. Nur wenige sehr alte oder kleine Kraftwerke liegen darüber.
„Der Fokus auf die CO2-Intensität macht mit Blick auf die erforderliche Emissionsminderung langfristig keinen Sinn“, sagt die Klimawissenschaftlerin Brigitte Knopf, Chefin des Berliner Forschungsinstituts MCC. „China hat ein Kohleproblem, will sowohl im Inland als auch im Ausland weiter in Kohlekraftwerke investieren, und das wird der Emissionshandel erst einmal kaum verhindern.“ Knopf erwartet aber, dass China das System noch weiterentwickeln wird. „Der Handel wird ja nach und nach auf andere Wirtschaftszweige ausgeweitet, und irgendwann wird sicher auch eine Obergrenze für CO2-Emissionen kommen.“
Beobachten müsse man allerdings, ob und wie stark die chinesische Regierung die CCS-Technologie einzusetzen gedenke, meint Knopf. CCS steht für Carbon Capture and Storage, also die Abscheidung von CO2 aus den Kraftwerksabgasen und dessen anschließende unterirdische Lagerung. „Die Emissionen der Stromgewinnung auf diese Art zu vermindern, statt Kohlekraftwerke abzustellen, dazu passt die Ausrichtung auf die CO2-Intensität wiederum“, so die Wissenschaftlerin. „Das wäre aber nur eine Scheinlösung, die China nicht auf den Weg zum Kohleausstieg bringt.“
1 Feb 2021
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