taz.de -- Jagd nach genetisch wertvollem Tier: Norwegen bangt um Problemwolf

Der Elgå-Wolf will mit seiner Wölfin nicht dort bleiben, wo die Regierung ihn gern hätte. Das führt zu einer Jagd der anderen Art.
Bild: Um ihn hier geht es zwar nicht – aber um einen seiner Artgenossen

Stockholm taz | „Wir haben sie“, lautete am Sonntag um 14.20 Uhr die lange erwartete Twittermeldung. Sie signalisierte das Ende einer tagelangen [1][Wolfsjagd] der anderen Art. Es ging nämlich nicht darum, [2][Wölfe] abzuschießen. Im Gegenteil: Der Elgå-Wolf samt Wölfin sollte gerettet werden.

Vor eineinhalb Jahren war der Wolf in der Nähe des ostnorwegischen Orts Elgå erstmals aufgefallen. Er riss dort Rentiere – eigentlich ein Grund, ihn zum Abschuss freizugeben. In Norwegen gibt es jedoch „Ulvesonen“, Regionen, in denen Wölfe nicht gejagt werden dürfen. Und es gibt Zonen, wo die Etablierung eines Wolfsbestands „unerwünscht“ ist. Dazu gehören die Gegenden mit verstärkter Viehzucht.

Der Elgå-Wolf entging nach Betäubung, Untersuchung und GPS-Besenderung der Jagd. Laut der Umweltbehörde Miljødirektoratet ist er der wertvollste Wolf des Landes. Der Einwanderer aus Russland oder Nordfinnland soll den durch Inzucht bedrohten südnorwegischen Bestand genetisch auffrischen. Er wurde deshalb im Herbst 2019 gefangen und per Hubschrauber in eine 300 Kilometer entfernte Wolfsschutzzone transportiert.

Wo es ihm offensichtlich nicht besonders gefiel: Er pendelte mehrfach zwischen seinem früheren und dem neuen Revier, wurde bald von einer Wölfin begleitet und etablierte sich im Sommer 2020 wieder in der „unerwünschten“ Gegend. Der Elgå-Wolf wurde nun zur Chefsache. Das Klima- und Umweltministerium ordnete an, ihn erneut umzusiedeln. Darüber kam es sogar zum Streit im Parlament, weil dafür extra der Beginn der jährlichen Wolfsjagd verschoben und das Revier des Problemwolfs und seiner Partnerin zur zeitweiligen Schutzzone erklärt wurde.

Pressekonferenz zur Wolf-Situation

Schneefall erschwerte die Aktion. Als das Paar am Sonntag endlich gefunden war, kam Umweltminister Sveinung Rotevatn extra aus Oslo angereist, um vor dem betäubtem Elgå-Wolf eine Pressekonferenz abzuhalten. Ja, er komme den Staat mittlerweile recht teuer, gestand er zu, aber er sei wirklich jede Krone wert.

Zumindest unter den Landwirten in der „Ulvesone“, wo der Elgå-Wolf am Montag 250 Kilometer entfernt wieder freigelassen wurde, scheint man diese Einschätzung nicht zu teilen. Der Vorsitzende des regionalen Bauernverbands kritisierte, die Regierung mache das Gebiet zum Dumpingplatz für Wölfe, jeder Haustierbesitzer müsse um seine Tiere fürchten.

Und wenn das Wolfspaar schnurstracks wieder zurückwandert? Die Gefahr sei angesichts der bisherigen Erfahrungen ziemlich groß, meint ein Ministeriumssprecher: Aber man müsse es eben versuchen.

6 Jan 2021

LINKS

[1] /Raubtier-Demokratie-in-Brandenburg/!5572041
[2] /Jagd-auf-Wolf-wird-beendet/!5673737

AUTOREN

Reinhard Wolff

TAGS

Schwerpunkt Artenschutz
Norwegen
Wölfe
Literatur
Tierschutz
Schwerpunkt Artenschutz
Lesestück Recherche und Reportage
Bundesamt für Naturschutz

ARTIKEL ZUM THEMA

Von Menschen und Wölfen: Wolfswesen

Geschichten vom „bösen Wolf“ ziehen sich durch die Literatur. Erst in den 1990er-Jahren wurden aus den Bestien Vorbilder.

Zu Besuch beim Wolfshundrudel: Das Wilde so nah

Christian Berge lebt mit Wolfshunden auf einem Waldgrundstück. Wenn er sie in seinem Garten sehe, schaue er auf die Natur, sagt Berge.

Raubtier in Nordhorn: Ein Wolf im Garten?

Mitten am Tag soll ein Wolf durch eine niedersächsische Siedlung gelaufen sein. Niemand kam zu Schaden, trotzdem ist die Aufregung groß.

Naturschutzkonzept „Rewilding“: Zurück in die Wildnis

Wölfe, Elche, Robben, Seeadler: sie fühlen sich im Oderdelta wohl. Wie Peter Torkler dafür kämpft, dass sich die Natur eine Landschaft zurücknimmt.

Neue Studie zur Verbreitung von Wölfen: Raubtiere brauchen keine Wildnis

In Deutschland gibt es 700 bis 1.400 potenzielle Reviere für Wölfe, sagt eine Studie. Das Bundesamt für Naturschutz fordert ein besseres Management.