taz.de -- Protest gegen Abholzung in Flensburg: Hotel statt Wald

In Flensburg harren Aktivist*innen seit drei Monaten im Bahnhofswäldchen aus. Es ist die nördlichste Waldbesetzung Deutschlands.
Bild: Kämpfen um jeden Baum: Besetzer*innen im Flensburger Bahnhofswald

Kiel taz | Der Wald ist eigentlich nur ein Wäldchen, doch er ist fast ebenso umkämpft, wie es der Dannenröder oder der [1][Hambacher Wald] waren. [2][Seit Anfang Oktober] sind in mehreren Bäumen auf einem Grundstück nahe dem Flensburger Bahnhof Wohnplattformen entstanden, in denen eine Gruppe Aktivist*innen rund um die Uhr ausharrt.

Parallel sammelt eine Bürgerinitiative Unterschriften und Spenden für den Erhalt des Wäldchens. An seinem Platz wollen lokale Investoren ein Hotel und ein Parkhaus errichten. Der Protest der Gegner*innen richtet sich auch gegen die Stadt Flensburg. Die ursprünglich für diesen Montag geplante Räumung der Besetzer*inen wurde am Wochenende wegen der hohen Corona-Zahlen in Flensburg kurzfristig abgesagt.

58 Bäume sollen fallen, sagt die Verwaltung – die Aktivist*innen zählen deutlich mehr. Sprecherin Hanna Poddig deutet auf einen Baum: „Weil er sich gabelt, ist der Stamm zu dünn, daher fällt er nicht unter die Satzung.“ Klar sei, dass der rund 140 Jahre alte Wald durch die Rodungen seinen Charakter verliere.

Dabei seien gerade die alten Bäume wichtig für das Mikroklima der Stadt, weil sie mit ihrem Totholz vielen Tieren Lebensraum böten, sagt Helmreich Eberlein von der „Bürgerinitiaitve Bahnhofswald“. Die Gruppe kämpft seit Jahren gegen den Bau eines Parkhauses und eines Hotels. Auch in der Stadtpolitik sind die Pläne der Flensburger Investoren Jan Duschkewitz und Ralf Hansen umstritten. Dennoch hatte im Sommer eine Mehrheit im Stadtrat den Plänen zugestimmt.

Die Stadt reagiere nur auf den Antrag der Investoren, so Stadtsprecher Clemens Teschendorf zur taz. Dennoch sieht die Verwaltung unter der Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) Vorteile: Ein Hotel direkt am Bahnhof mache die Anreise per Bahn attraktiver, das Parkhaus käme Pendler*innen zugute. Dass das Mikroklima leidet, sei nicht wahrscheinlich: „Es ist ein sehr grünes Viertel.“

Die gefällten Bäume werden auf einer Ausgleichsfläche ersetzt, die Investoren wollen dort deutlich mehr pflanzen als vorgeschrieben. „Wir werden regulierend eingreifen und dafür sorgen, dass dort eine gute Qualität entsteht“, verspricht Teschendorf. Aber er gibt auch zu, dass nach der Rodung am jetzigen Standort „der Wald nicht mehr als Wald besteht“.

17 Jan 2021

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Esther Geißlinger

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