taz.de -- Debatte über Solidarität von Fußballern: Gehaltsverzicht für Fußballprofis?

Borussia Dortmund fordert seine Fußballprofis dazu auf, in der Coronazeit weiter Lohnverzicht zu üben. Ist das richtig? Ein Pro und Contra.
Bild: Geld auf dem Spiel: Profifußballer haben fraglos genug davon, aber ist das die entscheidende Frage?

Verzichten jetzt, sagt Johannes Kopp

Bei Borussia Dortmund wird in den nächsten Tagen über eine halbjährige Verlängerung des Lohnverzichts der Fußballprofis verhandelt. Eine Selbstverständlichkeit, dass in der pandemiebedingten Einnahmenot die Bestverdienenden Solidarität mit denen im Verein zeigen, die ihnen stets im Hintergrund die Bühne bauen?

[1][Einzelne Spieler anderer Klubs] wie Mesut Özil oder Toni Kroos haben sich bereits im Frühjahr mit wohlfeilen Argumenten gegen derlei Abgaben gestellt. Warum eine Zwangsspende an ein Wirtschaftsunternehmen ausrichten, das nicht Rechenschaft darüber ablegt, ob die Einsparungen tatsächlich im sozialen, solidarischen Sinne wirken. Sie beklagten die fehlende Transparenz und betonten ihre private Spendenbereitschaft.

Schon lange vor Corona ist es unter Fußballmillionären üblich, mit ihrer Prominenz und ihrem Geld eigene soziale Stiftungen voranzutreiben, die umgekehrt wieder dem Ansehen der Kicker zugutekommen. Auch in der Coronakrise haben sich einige namentlich als private Großspender hervorgetan.

Ein individualisierter Wettbewerb der Großmütigkeit behagt einigen Profikickern viel mehr, zumal dieser mehr als Gönnertum und nicht als Selbstverständlichkeit wahrgenommen wird. Dem richtigen Einwand der fehlenden Transparenz ließe sich dabei doch spielend leicht begegnen. Ein Profiteam kann diese kollektiv einfordern und zur Bedingung für einen Verzicht machen.

Die Klubs müssen nachweisen können, dass das eingesparte Geld ausschließlich für die bestehenden Personalkosten, für den Arbeitsplatzbestand im Verein ausgegeben wird. Das wäre ein starkes solidarisches Zeichen, nicht nur weil es einer großen Zahl von Arbeitnehmern nutzen würde, sondern auch weil sich keine Einzelnen damit schmücken könnten.

Verzichten ist immer falsch, sagt Martin Krauss

Ein Lohnverzicht ist nie zu befürworten, völlig unabhängig davon, ob es sich um ein hohes oder ein niedriges Gehalt handelt.

Das fängt schon damit an, dass hohe Gehälter meist nur zur Begründung fürs „Jetzt müssen alle den Gürtel enger schnallen“ herhalten: Mit dem, was Profis wie Marco Reus verdienen, wird letztlich vorbereitet, dass auch Profis in Dortmunds zweiter Mannschaft, die in der Regionalliga West kickt, irgendwann „Verzicht üben“ müssen, [2][wie das vertragswidrige Einbehalten von Arbeitslohn] beschönigend genannt wird.

Ja, Fußballprofis in der Ersten Bundesliga (und oft auch noch in der Zweiten Liga) verdienen gut. Sehr viel mehr als die meisten Menschen in diesem Land. Aber tatsächlich sind sie Angestellte. Das heißt: Wenn das hohe Gehalt nicht an sie ausgezahlt wird, dann gehört es zum Gewinn der Firma. Die bei Fußballprofis oft beklagten hohen Gehälter konnten sie herausschlagen, weil tatsächlich derart viel Geld im Kreislauf ist: Fernseheinnahmen, Transfererlöse, Merchandising, Werbeeinnahmen und (mit immer geringerer Bedeutung) aus dem Ticketverkauf.

Nur Letzteres, das Geld aus den Eintrittskarten, fehlt den Klubs in der Coronakrise. Dass die Liga partout den Spielbetrieb aufrechterhält, hat einzig den Grund, dass die Klubs die weit ertragreicheren Einnahmequellen weiterhin sprudeln lassen. Nun versuchen Profivereine das, was andere kapitalistische geführte Unternehmen in Krisen auch durchsetzen wollen: Personalkosten drücken.

Ja, Reiche sollen etwas abgeben. An Bedürftige, und überhaupt mangelt es an gerechter Verteilung in diesem Land. Aber warum, bitte schön, soll die Spende an die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA gehen?

3 Dec 2020

LINKS

[1] /Fussballprofi-gegen-Lohnverzicht/!5686850
[2] /Rechte-von-Fussballern-in-der-Coronakrise/!5678174

AUTOREN

Johannes Kopp
Martin Krauss

TAGS

Fußball
Solidarität
Schwerpunkt Coronavirus
Lionel Messi
Kolumne Frühsport
Fußball
Mesut Özil
FC Bayern München
50+1-Regel
Basketball

ARTIKEL ZUM THEMA

Rekordgehalt von Lionel Messi: Wo der eigentliche Fehler liegt

Lionel Messi hat in vier Jahren über 500 Millionen Euro vom FC Barcelona erhalten. Aber es gibt zwei Deppen: die, die nehmen, und die, die zahlen.

Covid-Langzeitfolgen bei Fußballspielern: Not am Mann

Beim VfL Wolfsburg experimentiert man weiter mit Marin Pongračić nach dessen Coronaerkrankung. Das ist unverantwortlich.

Dortmund entlässt Trainer Favre: Es hat gefehlt

Borussia Dortmund schöpft sein Potenzial wieder nicht aus. Nach der 1:5-Pleite gegen den VfB Stuttgart zieht der Verein Konsequenzen.

Özils karrierehemmende Botschaften: Global Player im Abseits

Mesut Özil, einer der besten Vorlagengeber der Welt, ordnet seine Fußballkarriere seinem politischen Aktivismus unter. Der FC Arsenal ignoriert ihn.

Verletzungen im Männerfußball: Kicken, bis der Arzt kommt

Es wäre sinnvoll gewesen, im Männerfußball Spiele zu streichen. Das aktuelle Programm gefährdet die Gesundheit und wertet Partien ab.

Corona enthemmt das Fußballgeschäft: Schwindel mit der Demut

Im deutschen Fußball gibt man sich neuerdings bescheiden. Dabei deutet sich die Entfesselung des Wettbewerbs an.

Basketball in Zeiten von Corona: Qual, viral

Vom Virus geschwächt verliert Alba Berlin in der Euroleague gegen Barcelona und gibt eine Ahnung davon, wie die Saison verlaufen könnte.