taz.de -- Erinnerung an den Mauerfall: Stahligel im Mauerpark
Am Mauerpark sind nun Eingänge von Fluchttunneln und ausgegrabene Reste von Fahrzeugsperren zu sehen. Damit wurde auch ein neuer Vorplatz eingeweiht.
BERLIN taz | Es ist grau und nebelig an diesem Montagmorgen am südlichen Eingang des Mauerparks. Etwa ein Dutzend Menschen steht um das „archäologische Fenster“ herum, das hier heute offiziell für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Das Fenster stellt zusammen mit Markierungen im Boden, die die Mauerverläufe darstellen und auch auf den Eingang eines Fluchttunnels hinweisen, eine Open-Air-Ausstellung dar, die den südlichen Eingang des Parks an der Bernauer Straße um einen Ort zum Informieren und Gedenken erweitert.
Das „Fenster“ ist eine quadratische Ausgrabungsstelle, die, mit Metall verkleidet und mit Informationstafeln bestückt, die Überreste von Fahrzeugsperren umschließt, die in der DDR errichtet wurden, um Fluchtversuche mit Autos zu verhindern. Tritt man näher heran, sieht man die Reste der aus dem Boden ragenden „Stahligel“, die zunächst gar nicht mehr so leicht als solche zu erkennen sind. Torsten Dressler, der für die Ausgrabung verantwortliche Archäologe, erklärt, dass diese Sperren „noch zu Mauerzeiten abgeflext“ und danach versiegelt wurden. Im Gegensatz dazu seien viele der anderen Fahrzeugsperren komplett abgerissen worden.
Auch für Dressler war lange nicht klar, dass die Überreste, die das archäologische Fenster jetzt sichtbar macht, überhaupt existieren. Gerhard Sälter von der Stiftung Berliner Mauer, die zusammen mit der Grün Berlin Stiftung für die Konzipierung und Realisierung des Projekts verantwortlich ist, erzählt, dass die Reste im Winter 2017 „zufällig bei Bauarbeiten gefunden wurden“.
Fast unvorstellbar
Umrundet man die Gedenkstätte, stößt man auf jeder Seite der Verkleidung der Ausgrabung auf Informationen: Wissenswertes zum Mauerpark, zum Bau und Verlauf der Mauer an der Schwedter Straße, natürlich zu den Fahrzeugsperren, aber auch zum Weinstein-Fluchttunnel, dessen Eingang nur ein paar Meter von dem Ort entfernt lag, wo jetzt das archäologische Fenster steht.
Unter den Menschen, die sich um das Fenster herum aufhalten, befindet sich auch Carl Wolfgang Holzapfel, der damals mit Gerd Weinstein, nach dem der Tunnel benannt ist, an dem Fluchtweg gegraben hat. Er erzählt allen, die es hören wollen, ihre Geschichte, vom Bau des Tunnels im März 1963 bis zum Verrat der Unternehmung im Juli desselben Jahres.
Etliche Passanten bleiben kurz stehen, umrunden den Ort, hören zu und betrachten diesen ans Licht geholten Teil eines Berlins, das für viele heute, 31 Jahre nach dem Fall der Mauer, unvorstellbar geworden ist.
9 Nov 2020
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