taz.de -- Untersuchungen zur Pandemie in Deutschland: Panne bei Coronatests in Bayern

Bayerische Behörden haben massive Probleme bei der Übermittlung von Testergebnissen, Ministerpräsident Söder steht unter Druck. Die Zahl der Infizierten steigt weiter.
Bild: Bitte einmal „Ahhh“ sagen: Zehntausende warten noch auf Ergebnisse ihres Coronatests

München dpa | Zehntausende Reiserückkehrer warten nach [1][Corona]tests in Bayern noch auf das Ergebnis, darunter auch 900 nachweislich positiv getestete. Etwa 44.000 Befunde seien noch nicht übermittelt worden, sagte Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) am Mittwoch in München. Die positiv Getesteten sollten bis Donnerstagmittag ihre Ergebnisse bekommen.

Der Zeitverzug ärgere sie „massiv“, sagte Huml, sie bedauere das sehr. Es gebe eine „Übermittlungsproblematik“, „da gibt es nichts schönzureden“. An den Stationen seien Menschen aus ganz Deutschland getestet worden. Angaben, wie lange die Menschen bereits warten, konnte Huml nicht machen.

Nach Bekanntwerden dieser schweren Panne bei den Coronatests hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) einen für Donnerstag und Freitag geplanten Besuch an der Nordsee abgesagt. „Bayern geht vor“, schrieb Söder am Mittwochabend auf Twitter, er müsse seinen Besuch leider absagen.

Söder nannte den „Fehler“ bei den Testzentren „sehr, sehr ärgerlich“. „Das muss sofort behoben werden und darf nicht mehr passieren. Alle Strukturen sind umgehend zu überprüfen“, verlangte der CSU-Politiker.

Bayrische Opposition ätzt gegen Söder und Huml

Die bayerische Opposition kritisierte die Panne bei den Tests scharf. Grünen-Landtagsfraktionschef Ludwig Hartmann sprach von „eklatantem Regierungsversagen“. „Das ist eine Schocknachricht für Deutschland und kratzt am Nimbus des selbstgefälligen [2][Krisenmanagers Söder].“ FDP-Fraktionschef Martin Hagen twitterte: „Söders Inszenierung als Corona-Musterschüler bekommt zunehmend Risse.“ Dieses Mal könne die CSU das „Versagen der Regierung“ nicht auf den kleinen Koalitionspartner, die Freien Wähler, schieben, sagte Hagen.

Indes ist die Zahl der bekannten Neuinfektionen mit dem Coronavirus in Deutschland auf den höchsten Stand seit Anfang Mai gestiegen. Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) bis Mittwochabend 1.445 neue Corona-Infektionen innerhalb eines Tages. Höher lag der Wert zuletzt am 1. Mai mit 1.639 registrierten Neuinfektionen.

Auch für die gesamte letzte Kalenderwoche stieg die Zahl der positiven Coronatests weiter im Vergleich zu den Vorwochen. Allerdings lässt sich der Anstieg hierbei auch damit erklären, dass in der letzten Woche deutlich mehr Tests durchgeführt wurden. Der Anteil der Tests, die positiv ausfielen, blieb zuletzt annähernd auf dem Niveau der vorangegangenen Woche

Der Anteil an Kreisen, die keine Neuinfektionen übermittelt haben, sei in den vergangenen Wochen deutlich zurückgegangen. „Dieser Trend ist beunruhigend“, so das RKI. „Eine weitere Verschärfung der Situation muss unbedingt vermieden werden.“ Besonders betroffen seien derzeit Nordrhein-Westfalen und Hamburg, wo ein deutlicher Anstieg auffalle.

Der Höhepunkt bei den täglich gemeldeten Neuansteckungen hatte Anfang April bei mehr als 6.000 gelegen. Die Zahl war nach den immer noch über 1.000 liegenden Werten im Mai in der Tendenz gesunken, seit Ende Juli steigt sie wieder. Experten sind besorgt, dass es zu einem starken Anstieg der Fallzahlen kommen könnte, der die Gesundheitsämter bei der Nachverfolgung von Ansteckungsketten an Grenzen bringt.

Seit Beginn der Coronakrise haben sich mindestens 219.964 Menschen in Deutschland nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert, wie das RKI am Mittwochmorgen im Internet meldete (Datenstand 13.8., 0.00 Uhr). Seit dem Vortag wurden vier neue Todesfälle gemeldet. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion liegt nach RKI-Angaben nun bei 9.211. Bis Sonntagmorgen hatten 199.500 Menschen die Infektion nach RKI-Schätzungen überstanden.

Die Reproduktionszahl, kurz R-Wert, lag nach RKI-Schätzungen mit Datenstand 12.8., 0.00 Uhr, in Deutschland bei 0,88 (Vortag: 0,97). Das bedeutet, dass ein Infizierter im Mittel etwas weniger als einen weiteren Menschen ansteckt. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab.

Zudem gibt das RKI ein sogenanntes Sieben-Tage-R an. Es bezieht sich auf einen längeren Zeitraum und unterliegt daher weniger tagesaktuellen Schwankungen. Nach RKI-Schätzungen lag dieser Wert mit Datenstand 12.8., 0.00 Uhr, bei 1,04 (Vortag: ebenfalls 1,04). Er zeigt das Infektionsgeschehen von vor 8 bis 16 Tagen.

13 Aug 2020

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