taz.de -- Personalaufstockung in der Pflege: Bloß nicht beim Alten bleiben

Der Personalzuwachs in den Heimen darf nicht an zu hohen bürokratischen Vorgaben scheitern. Denn das Schlimmste wäre, wenn alles bleibt, wie es ist.
Bild: Über unbürokratischen Personalzuwachs in den Heimen würden sie sich freuen

Wer wissen will, wie schwierig Sozialpolitik ist, wenn man versucht, einen Mangel zu lindern, und damit neue Gerechtigkeitsfragen aufwirft, der muss sich nur die Pflege anschauen. Ein Gesetzentwurf aus dem Hause Spahn [1][will 20.000 zusätzliche Hilfskräfte] in Heimen finanzieren, übrigens ohne dass deswegen die Eigenanteile für die BewohnerInnen steigen. Das ist wenig, aber immerhin.

Die Hilfskräfte, sofern sie noch keinen Berufsabschluss haben, sollen innerhalb von zwei Jahren zu „PflegeassistentInnen“ qualifiziert werden. Ja, es stimmt, dass im Gesetzentwurf unklar ist, was genau diese „Qualifizierung“ bedeutet.

Aber an den noch ungelösten Fragen der HelferInnenausbildung darf eine Personalaufstockung nicht scheitern. Zumal ein Berufseinstieg über eine HelferInnenausbildung für Leute mit wenig Sprachkenntnissen oft die einzige Möglichkeit ist, [2][in den Job reinzukommen]. Eine reguläre dreijährige Pflegeausbildung mit Examen ist wegen der Sprachprobleme oft nicht zu schaffen, aber man kann später eine solche Ausbildung draufsatteln.

Es ist also sinnvoll, beim Wort „Hilfskräfte“ oder „Assistenzkräfte“ nicht gleich zu lamentieren, hier handele es sich doch wieder nur um eine Aufstockung mit billigem, angelerntem Personal, [3][das die Qualität im Heim] garantiert verschlechtere. Was genau machen denn die Angehörigen, die in 1,7 Millionen Haushalten Pflegebedürftige allein versorgen? Das sind Autodidakten. Um deren Qualifikation beim „Ausscheidungsmanagement“ (Pflegejargon) sorgt sich niemand.

Die Wohlfahrtsverbände fordern bundeseinheitliche Kriterien für die Assistenzausbildung, und das ist ein richtiger Weg. Ansonsten aber ist Flexibilität gefragt. Schafft eine Hilfskraft die Nachqualifizierung in Kursen und on the job nicht, muss die Refinanzierung für die Heime trotzdem gesichert sein. Der Personalzuwachs in den Heimen darf nicht an zu hohen bürokratischen Vorgaben scheitern. Sonst bleibt alles beim Alten. Und das wäre das Schlimmste.

27 Aug 2020

LINKS

[1] /Massnahme-gegen-Pflegekraeftemangel/!5705895
[2] /Einwanderung-nach-Deutschland/!5704875
[3] /Pflegerinnenmangel-in-Heimen/!5700955

AUTOREN

Barbara Dribbusch

TAGS

Pflege
Alten- und Pflegeheime
Jens Spahn
Alten- und Pflegeheime
Alten- und Pflegeheime
Pflegekräftemangel
Schwerpunkt Coronavirus

ARTIKEL ZUM THEMA

Reaktionen auf Vorstoß für Pflegereform: Spahns Deckelung wird begrüßt

Der Vorschlag des Gesundheitsministers, Eigenanteile fürs Heim zu begrenzen, stößt auf gemischte Reaktionen. Die SPD will Reiche nicht entlasten.

Maßnahme gegen Pflegekräftemangel: Kleine Aufstockung geplant

Ein Gesetzentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium sieht 20.000 mehr Assistenzkräfte in Pflegeheimen vor. Im Schnitt ist das eine Stelle pro Heim.

Pfleger*innenmangel in Heimen: 40 Minuten mehr am Tag

Pflegeheime brauchen mehr Personal, um die Menschen würdig zu versorgen – das bestätigt ein Gutachten. Doch die Umsetzung verzögert sich.

Einwanderung nach Deutschland: Fachkraft mit Relevanz gesucht

Die Migrationsströme nach Deutschland sind fast zum Erliegen gekommen. Braucht es überhaupt noch qualifizierte Arbeiter*innen aus dem Ausland?