taz.de -- Aktivist über Landwirtschaft in Afrika: „Gatesstiftung verfehlt ihre Ziele“
Hochleistungs-Saatgut und Dünger bekämpfen den Hunger in Afrika nicht wirksam. Das sagt Agrarexperte Stig Tanzmann vom Hilfswerk Brot für die Welt.
taz: Herr Tanzmann, [1][Bill Gates] wird gerade quasi für alles Schlechte verantwortlich gemacht. Nun auch von Ihnen: in einer neuen Studie zur Bekämpfung des Hungers in Afrika. Sind Sie da in guter Gesellschaft?
Stig Tanzmann: Mit der Kritik der Verschwörungstheoretiker an Bill Gates haben wir nichts zu tun. Die Verschwörungstheoretiker schaden mit ihren falschen Behauptungen der kritisch sachlichen und inhaltlichen Debatte über die Arbeit der Bill und Melinda Gates Stiftung. Wir befassen uns seit Jahren kritisch [2][mit der Arbeit der Gates Stiftung], vor allem in Afrika. Sie hat den Anspruch, Gutes zu tun und Armut zu bekämpfen. Aber sie verfolgt die falschen Konzepte, das zeigt unsere Studie.
Darin untersuchen Sie die Arbeit der „Allianz für eine grüne Revolution in Afrika“, deren größte Geldgeber die Gates- und die Rockefeller-Stiftung sind. Ist die Allianz erfolgreich?
Nein, Agra, wie die Allianz abgekürzt heißt, erreicht die selbst gesteckten Ziele nicht. Ihr wichtigstes Ziel war, die Einkommen und Erträge von 30 Millionen Kleinbauern in Afrika zu verdoppeln. Das hat sie bei Weitem nicht geschafft. Zugleich hat ihr eindimensionaler Fokus auf Ertragssteigerungen durch neues Saatgut und Dünger viele Landwirte in die Verschuldung getrieben. Die Preise, die sie auf den Märkten für ihre Lebensmittel bekommen, decken ihre steigenden Kosten nicht.
Wie genau arbeitet Agra?
Zum einen führt sie konkrete Projekte durch zur Nutzung von Hochleistungssaatgut, Dünger und Pestiziden. Zusätzlich setzt Agra in den letzten Jahren auch auf politischen Einfluss, damit die Regierungen ihre Gesetze im Bereich Düngemittel und Saatgut verändern und ihre Märkte noch stärker für multinationale Konzerne öffnen. Das ist zum Beispiel in Tansania, Kenia und Ghana geschehen.
Als positives Beispiel nennen Sie ausgerechnet das bürgerkriegsgeschüttelte Mali. Dort werde Hunger erfolgreich bekämpft, weil sich die Bauern gegen das Programm der Grünen Revolution wehren. Wer trägt den Protest?
In Mali ist im Untersuchungszeitraum der Studie der Hunger zurückgegangen. Dies liegt auch daran, dass es dort eine starke bäuerliche Bewegung gibt. Diese gerät aber immer stärker zwischen die Fronten der dortigen Konflikte. Gerade letzte Woche wurde die Familie eines wichtigen Vertreters der Bewegung massiv bedroht. In Mali wurde sehr früh erkannt, dass die Ansätze der industriellen Landwirtschaft nicht sinnvoll sind. Die Bauern vor Ort setzten zum Beispiel stark auf bäuerliches Saatgut und auf lokal gut angepassten Hirseanbau statt auf Hybridmais von Agra. Durch ihre kontinuierliche Arbeit hat die Bewegung auch Zugang zur Regierung; darum sind ihre Rechte gesetzlich gestärkt worden.
Die Agra setzt auf Wissens- und Technologietransfer und Bildung. Ist es nicht das, was viele Landwirte in Uganda oder Tansania brauchen?
Wir müssen die Landwirtschaft dort verbessern, auf Augenhöhe mit den Menschen vor Ort, mit wissenschaftlicher Expertise und mit den Ressourcen, die vor Ort vorhanden sind. Wir müssen nicht in diesen Ländern wiederholen, [3][was uns hierzulande in die Sackgasse geführt hat], Stichwort: Biodiversitätsverlust. Noch ist der Weg der afrikanischen Landwirtschaft nicht so vorgegeben wie im Globalen Norden.
Was ist die Alternative für die Landwirtschaft in Afrika?
Es gibt agrarökologische Alternativen; indem man in den Betrieben auf vielfältige Kulturen setzt, verbunden mit Viehhaltung, lässt sich die Bodenfruchtbarkeit langfristig steigern. Dabei sind lokal angepasste Pflanzen wichtig. Agra setzt stark auf Mais, vielerorts verdrängt er die nährstoffreichere und trockenheitsresistente Hirse. Die Vielfalt in Anbau und Ernährung geht bei den Konzepten von Agra verloren, wie die Studie belegt.
10 Jul 2020
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