taz.de -- Die jüngsten Kämpfe um Bergkarabach: Zu viele Nutznießer
Im Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien bietet sich Moskau als Vermittler an. Das ist blanker Hohn.
Eingefrorene Konflikte sind eben nur eingefroren. Sobald sie auftauen, können sie explodieren. Jüngstes Beispiel: [1][der Ausbruch neuer Gefechte zwischen Aserbaidschan und Armenien], der wieder Menschenleben gekostet hat. Diesmal findet der militärische Schlagabtausch um das umstrittene Gebiet Berg-Karabach im Norden zu beiden Seiten der Grenze statt.
Dass sich die Feindseligkeiten zwischen den Südkaukasusrepubliken gewaltsam entladen, war nur eine Frage der Zeit. Dabei ist nicht entscheidend, wer dieses Mal den ersten Schuss abgefeuert hat. Vielmehr haben die Regierungen beider Staaten der Eskalation Vorschub geleistet: durch das Beharren auf einem fragilen Status quo flankiert von Kriegspropaganda sowie einer Instrumentalisierung dieses jahrzehntelangen Konflikts, um von ihren innenpolitischen Problemen abzulenken.
Armeniens Regierungschef und einstiger Held der „Samtenen Revolution“ Nikol Paschinjan kann sich im Bemühen um eine friedliche Lösung nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Denn das kommt, wie die Vergangenheit gezeigt hat, politischem Selbstmord gleich.
Aserbaidschans autokratischer Dauerpräsident Ilham Alijew hingegen braucht die Causa Berg-Karabach. Sie ist ein Vehikel, um seine korrupte Clanherrschaft abzusichern, gegen die sich wachsender Unmut regt. Die jüngsten Proteste in Baku und anderen Städte setzten Alijew jedoch unter Druck; auch ihm kann an einer wachsenden Kriegsgefahr nicht gelegen sein.
Doch dieser Konflikt wäre nicht der, der er ist, gäbe es nicht andere Akteure – allen voran Russland. Moskau bietet sich wieder einmal als Vermittler an. Das ist ein Hohn angesichts der Tatsache, dass in Armenien russische Soldaten stationiert sind, der Kreml aber gleichzeitig [2][Waffen an Alijew] verkauft.
Russland gehört zudem der Minsk-Gruppe an, die sich um eine Friedenslösung bemüht. Deren Aufgabe dürfte nicht leichter werden, genauso wie das Engagement der wenigen Friedensaktivist*innen auf beiden Seiten. Gerade sie brauchen jetzt Unterstützung – stärkere denn je.
16 Jul 2020
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