taz.de -- Pressefreiheit in den Philippinen: Starjournalistin Ressa verurteilt

Die Duterte-Regierung schüchtert Medienvertreter ein. Neuestes Beispiel ist ein fragwürdiges Urteil wegen Verleumdung gegen eine Journalistin.
Bild: Maria Ressa nach dem Gerichtsurteil in Manila

Berlin taz | In den Philippinen sind die prominente Chefredakteurin Maria Ressa des regierungskritischen Nachrichtenportals [1][Rappler] und ihr Exmitarbeiter Reynaldo Santos Jr. am Montag wegen Verleumdung verurteilt worden. Ein Gericht in Manila verhängte Geldstrafen von umgerechnet 7.000 Euro, legte das Strafmaß der Haft aber noch nicht fest. Es wird entsprechend des Gesetzes gegen Cyberkriminalität zwischen sechs Monaten und sechs Jahren liegen. Ressa kündigte Berufung an. Solange bleibt die 56-jährige frühere Korrespondentin des US-Senders CNN gegen Kaution frei. Im Jahr [2][2018 kürte sie das Magazin Time mit anderen Journalisten zur „Person des Jahres“.]

Rappler hatte am 29. Mai 2012 einen von Santos geschriebenen Artikel über den unter Korruptionsverdacht stehenden damaligen obersten Richter des Landes geschrieben. Dem hatte der Geschäftsmann Wilfredo Keng einen Geländewagen überlassen. Santos zitiert aus einem Geheimdienstbericht, der Keng mit Drogen- und Menschenschmuggel in Verbindung brachte.

Erst vier Monate später trat das Gesetz gegen Cyberkriminalität in Kraft. Keng klagte erst 2017 gegen Rappler. 2018 wurde die Klage abgewiesen, weil Gesetze nicht rückwirkend gelten. Doch später ließ das Gericht die Klage zu. Es wertete eine Rechtschreibkorrektur des Artikels am 19. Februar 2014, bei der ein Buchstabe getauscht wurde, als Neuveröffentlichung nach Inkrafttreten des Gesetzes. [3][2019 wurde Ressa sogar kurzzeitig verhaftet.]

In den Philippinen sind journalistische Standards niedrig. Doch mächtige Geschäftsleute und Politiker denunzieren auch Recherchen oft als Verleumdung und schicken insbesondere in den Provinzen Journalisten Killer auf den Hals. Das Land ist eines der weltweit gefährlichsten für Medienvertreter. Diese Morde werden fast nie aufgeklärt.

Regierungskritiker und [4][Medienrechtsorganisationen] werten das Verfahren gegen Ressa und Rappler als Versuch der Regierung von Präsident Rodrigo Duterte, kritische Journalisten einzuschüchtern. Es sind noch weitere mutmaßlich politisch motivierte Gerichtsverfahren gegen Rappler anhängig. Das Portal darf nicht mehr an Regierungspressekonferenzen teilnehmen und wird von Duterte, der Journalisten schon mal mit dem Tod droht, mit Fake News in Verbindung gebracht. Erst im Mai hatte seine Regierung dem größten TV-Sender des Landes, [5][ABS-CBN, die Verlängerung der Lizenz verweigert].

15 Jun 2020

LINKS

[1] https://www.rappler.com/
[2] https://www.today.com/news/time-person-year-2018-guardians-war-truth-t144911
[3] /Philippinische-Journalistin/!5573371
[4] https://cpj.org/2020/06/rappler-editor-maria-ressa-convicted-of-cyber-libel-by-philippines-court/
[5] /Pressefreiheit-auf-den-Philippinen/!5664610

AUTOREN

Hansen

TAGS

Schwerpunkt Pressefreiheit
Philippinen
Rodrigo Duterte
Friedensnobelpreis
Nobelpreis
Philippinen
Rodrigo Duterte
Schwerpunkt Pressefreiheit
Aktivismus
Rodrigo Duterte

ARTIKEL ZUM THEMA

Friedensnobelpreis für JournalistInnen: Zwei, die nicht kapitulieren

Der Friedensnobelpreis geht an zwei Medienschaffende: Maria Ressa von den Philippinen und Dmitri Muratow aus Russland.

Friedensnobelpreis für Ressa und Muratow: Ausgezeichneter Journalismus

Der diesjährige Friedensnobelpreis geht an die Journalist*innen Maria Ressa und Dmitri Muratow. Beide setzen sich für Demokratie und Pressefreiheit ein.

Im Süden der Philippinen: Absturz bei der Landung

Beim Absturz eines Militärtransportflugzeugs sterben auf der philippinischen Insel Jolo mindestens 29 Menschen. Über 40 können gerettet werden.

Politische Morde auf den Philippinen: Tödliche Jagd

Unter Präsident Rodrigo Duterte steigt die Zahl von Verbrechen an linken Aktivist*innen. Menschenrechtler sprechen von einem „Krieg gegen Dissens“.

Pressefreiheit auf den Philippinen: Ein Frontalangriff

Dem größten Medienkonzern der Philippinen soll die Lizenz entzogen werden – aus sehr fadenscheinigen Gründen.

NGO-Bericht über getötete Naturschützer: Morde an UmweltschützerInnen

Ein Bericht beklagt 164 Morde an Umwelt- und Landrechtsaktivisten weltweit. Die Philippinen lösen Brasilien als gefährlichstes Land ab.

Auf den Philippinen ermordete Anwälte: Seine Kritiker leben gefährlich

Menschenrechtsanwälte, die Präsident Duterte kritisieren, werden als „Kommunisten“ diffamiert. Seit seinem Amtsantritt wurden 38 Anwälte ermordet.