taz.de -- Die Wahrheit: Denkmal, ich komme!

Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit: Heute darf sich die Leserschaft an einem Poem über Neues auf den Sockeln dieser Welt erfreuen.

Jetzt, da so viele Helden stürzen,

selbst Churchill auf dem Sockel bangt,

ob sie ihm die Zigarre kürzen,

wird klar: Die alte Ordnung wankt.

Da frag ich mich, wie steht’s dagegen

mit mir und meinem Heldentum?

Nie kämpfte ich mit Speer und Degen,

doch ist das nötig für den Ruhm?

Kaum einer dieser Reitergockel

hat seinerzeit der Welt genutzt,

der Kolonialherr auf dem Sockel

gehört ganz einfach weggeputzt.

Ich höre allerdings die Frage:

Wer soll statt Fürsten oben hin

und taugt in dieser Höhenlage

als zeitgemäßer Zugewinn?

Ich gebe zu, als stolzer Reiter

wär ich kein guter Kandidat.

Doch stünde ich als Blitzableiter

dem Staat samt Konterfei parat.

Ach, dass man mich in Bronze gösse,

vielleicht sogar zum Silbermann,

den bei Gewittern Strom durchflösse,

mit dem wer Orgel spielen kann!

Ich wäre auch ein Fall für Lego,

als Lohn für meinen Heldenmut,

doch sähe ich mein Alter Ego

gern neben dem am Zuckerhut.

18 Jun 2020

AUTOREN

Reinhard Umbach

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