taz.de -- Prozess gegen IS-Anhänger: Teil deutscher Geschichte
In Deutschland steht erstmals ein IS-Anhänger wegen des Genozids an Ezid*innen vor Gericht. Das ist nur der Anfang notwendiger Aufarbeitung.
Seit Beginn des [1][Genozid an den Ezid*innen durch den Islamischen Staa]t sind mittlerweile fast sechs Jahre vergangen. In Frankfurt hat vor zwei Wochen [2][das erste Strafverfahren weltweit mit dem Tatbestand Genozid an] den Ezid*innen begonnen. Angeklagt ist Taha al-J., der Mann von der in München angeklagten IS-Anhängerin Jennifer W.
Beide sollen unter anderem eine fünfjährige Ezidin, die sich als Sklavin hielten, bei 45 Grad in der Sonne angekettet und sie dort verdursten haben lassen. Vergangenen Montag hat in Hamburg zudem der Prozess gegen die Ehefrau von Denis Cuspert aka Deso Dogg begonnen. Omaima A. soll 2015 ihrem Mann zum IS gefolgt sein.
Die laufenden Prozesse sind lobenswert aber nur ein Mini-Tropfen auf den kalten Asphalt. [3][30.000 IS- Gefangene sitzen in Syrien oder im Irak] bislang ohne Prozess im Gefängnis, davon sind tausende aus dem Ausland.
Staatsbürger aus aller Welt folgten dem Aufruf des IS und reisten nach Syrien und in den Irak, um sich dem Kalifat anzuschließen und einen Genozid an den Ezid*innen zu verüben, sowie weitere Kriegsverbrechen. Das Problem ist somit kein rein kurdisches, irakisches, oder syrisches, sondern ein internationales.
Die ganze Welt ist gefordert
Die Internationale Staatengemeinschaft – auch Deutschland – ist hier gefordert und soll sich endlich um ihre Täter*innen kümmern. Ja, auch IS-Frauen sind Täterinnen und sind nicht nur zum kochen, putzen und um ihren Dschihad-Märchenprinzen zu heiraten in das Kalifat gereist, sondern sie haben ebenfalls gefoltert, gemordet und Gefangen genommene ezidische Mädchen auf die Vergewaltigungen vorbereitet.
Wenn deutsche Staatsbürger*innen in den Dschihad ziehen und von kurdischen Kräften festgenommen werden, dann ist es nicht die Aufgabe der Kurd*innen vor Ort sich um die IS-Täter in den Gefängnissen zu kümmern, sondern es ist die Pflichts Deutschlands seine Staatsbürger zurück zu holen und vor deutsche Gerichte zu bringen, anzuklagen und zu verurteilen.
Das wäre auch ein erstes Zeichen Deutschlands im Kampf gegen den Islamismus. Die Kurd*innen haben den IS besiegt und dürfen nicht auch noch mit den Täter*innen alleine gelassen werden.
Der Genozid wird automatisch auch Teil deutscher Geschichte, wenn deutsche Staatsbürger*innen im Namen des Islam im Nahen Osten, foltern, morden und vergewaltigen.
Gerechtigkeit für die Überlebenden
Die Überlebenden wollen Gerechtigkeit. Immer noch leben die Ezîd*innen in Zelten, in den Camps für Vertriebene im Irak und Syrien, immer noch ist Shingal weitestgehend zerstört, sterben Menschen dort [4][an den vom IS gelegten Sprengfallen]. Immer noch sind Ezîd*innen auf dem Weg nach Europa, sterben im Mittelmeer.
Noch immer sind [5][êzîdische Frauen,] Mädchen und Kinder in IS-Gefangenschaft und werden als Sklav*innen gehalten, noch immer sind Massengräber nicht exhumiert. Und noch immer spazieren Täter*innen frei herum.
Der IS ist noch lange nicht besiegt, im Gegenteil, bis heute gibt es Anschläge in Irak und in Syrien. Die Straflosigkeit der Täter*innen ist nicht nur ein Schlag in das Gesicht der Opfer, sondern auch ein Freifahrtschein für alle weiteren, noch kommenden Genozide, die es zu verhindern gilt.
5 May 2020
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der Anwalt Mahmut Erdem hilft den Familien von Frauen, die sich dem IS angeschlossen haben. Vor Gericht vertreten will er die Frauen aber nicht.
Am Freitag fiel in Hamburg das Urteil im Staatsschutzverfahren gegen Omaima A. Sie muss für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis.
Während Rechte den Islamismus pauschal mit dem Islam gleichsetzen, bagatellisieren ihn Linke oft. Dabei hat er einen globalen Herrschaftsanspruch.
Die türkische rechtsextreme Organisation Graue Wölfe hat zahlreiche Morde verübt. Jetzt gilt es, ihrem Faschismus aktiv entgegenzutreten.
Während die Türkei im Irak kurdische Autonomiegebiete bombardiert, hält sich die EU vornehm zurück – wie immer, wenn es angeblich gegen die PKK geht.
Annika und Daniel checken ihre Privilegien und reflektieren Rassismus. Aber sie gehen aus Versehen mit Islamisten demonstrieren.
Wie Badeeah Hassan Ahmed im Irak vom IS entführt, in Syrien als Sklavin gehalten wurde und nach Deutschland floh: Davon erzählt ihr Buch.
Bremen prüft derzeit die Aufnahme von 20 jesidischen Frauen und Kindern aus dem Nordirak, schreckt aber vor den Kosten zurück.
Im Nordirak befreien Jesiden die entführten Frauen und Kinder, die in der Gewalt des IS sind. Der Genozid ist noch gar nicht aufgearbeitet.