taz.de -- Luxusquarantäne in Schweiz: Coronatest als Roomservice

In der Schweiz dürfen Einheimische noch im Hotel übernachten. Wer es sich leisten kann, verbringt die Quarantäne in einer Luxus-Unterkunft.
Bild: So lässt sich eine Pandemie durchaus überstehen: Luxusapartment im „Le-Bijou“ in Luzern

BERLIN taz | In der Schweiz hat das Coronavirus geschafft, was weder die Spanische Grippe noch die beiden Weltkriege vermochten: Das tradionsreiche, 1845 eröffnete Luxshotel Schweizerhof an der Luzerner Seepromenade hat in der vergangenen Woche zum ersten Mal in seiner Geschichte dichtgemacht.

Das Gleiche gilt für viele andere Hotels im Tourismusland Schweiz, das 2019 noch die Rekordmarke von fast 40 Millionen Logiernächten verbuchte. Zwar dürfen Einheimische auch zu touristischen Zwecken noch in Hotels übernachten. Das fällt aber in dieser Jahreszeit kaum ins Gewicht, da die Regierung in Bern alle Wintersportgebiete geschlossen hat.

[1][Tourist*innen und Geschäftsleute aus dem Ausland] (mit Ausnahme Liechtensteins) können seit zwei Wochen überhaupt nicht mehr in die Schweiz einreisen. Zumindest nicht mit den für Normalverdiener*innen erschwinglichen Transportmitteln Bahn, Auto oder Linienflug. Bis Ende März verzeichnete die Hotelbranche einen Umsatzrückgang von rund 450 Millionen Franken (circa 400 Millionen Euro).

Wenige Steinwürfe vom Schweizerhof macht der Anbieter Le Bijou das große Geschäft mit dem Coronavirus. In seinen Häusern in Luzern, Basel, Genf und Zürich können Gutbetuchte Luxusappartments als Quarantäneunterkünfte mieten. Für rund 450 Euro pro Nacht. Services wie beispielsweise ein Lieferdienst für das Essen oder ein Entertainmentsystem gegen die Langeweile kosten extra.

Im Privatjet

À la carte hinzubuchen können die Gäste einen Coronatest-Roomservice (450 Euro), zwei tägliche Kontrollbesuche medizinischen Personals (1.650 Euro) oder eine Rund-um-die Uhr-Versorgung durch eine Pflegekraft (4.350 Euro). Zudem verspricht der Betreiber des Le Bijou seinen Kunden für den Notfall „schnellen Zugang“ zu einer Privatklinik „mit Behandlungsmöglichkeiten auf dem neuesten Stand“.

Der ganze Ablauf von der Buchung über das Einchecken, die Öffnung der Appartmenttür mittels Code bis zur Bezahlung wird digital abgewickelt, sodass für die Gäste kein Kontakt mit einer anderen Person mit eventueller Ansteckungsgefahr nötig ist. Unter den Bewohner*innen der Apartmenthäuser sind auch noch reiche Ausländer*innen, die zumindest bislang noch mit dem Privatjet in die Schweiz geflogen kamen.

Die Nachfrage läuft so gut, dass das Le Bijou [2][aus Imagegründen Ärzt*innen und Pflegekräften], die wegen der Coronakrise nachweislich Überstunden oder Notfalleinsätze erbringen, seit vergangenen Freitag einen kostenlosen Aufenthalt anbietet.

31 Mar 2020

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Andreas Zumach

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