taz.de -- Corona und die Kultur in Berlin: Ein Schritt, der schmerzt
Auf Berlins Bühnen passiert nichts mehr: Senat untersagt fast alle Kulturveranstaltungen, Clubs und Konzertveranstalter fürchten ihr Aus.
Wenn man rückblickend fragt, wann aus der Corona-Situation in Berlin eine existenzielle Krise wurde, dann ist der Dienstag wohl die naheliegendste Antwort: Gegen 17.30 Uhr verkündete Kultursenator Klaus Lederer (Linke), dass alle Aufführungen und Konzerte auf den großen Landesbühnen abgesagt werden, vorerst bis zum Ende der Osterferien Mitte April. Keine Arien mehr in der Deutschen Oper, keine Monologe auf der Bühne des Deutschen Theaters, keine Konzerte im großen Saal der Volksbühne. Die Hochkultur beugt sich dem Virus.
Die Popkultur musste prompt folgen: Tags darauf verbot Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci [1][alle Veranstaltungen mit mehr als 1.000 BesucherInnen], also etwa Konzerte in Astra, Columbia- und Schmelinghalle. Und auch Clubs wie das Berghain lassen erst mal keinen mehr rein. Und am Donnerstag wurden dann alle landeseigenen Probebühnen, Museen, viele Privattheater und die Zentral- und Landesbibliothek geschlossen.
Ein Schritt, der schmerzt. Die Hauptstadt, die so viel auf ihr Kulturleben hält, verliert einen Gutteil ihres Glamours. Die Berliner, von denen viele das Nachtleben als Entschädigung für die Mühen der Großstadt sehen – und es schmerzt natürlich die Veranstalter, Organisatoren und Kulturschaffenden. Während den ersten beiden etwas fehlt, könnte es sein, dass Letztere bald fehlen werden. Viele Clubs und Konzertveranstalter stehen aufgrund der (erst mal) mehreren Wochen ohne Einnahmen plus die Erstattung der Eintrittskarten für abgesagte Events vor dem finanziellen Abgrund. „Geht das so weiter, sind viele von uns binnen kurzer Zeit tot“, [2][erklärte etwa Dimitri Hegemann], Betreiber des Technoclubs Tresor.
Den Machern des Nachtlebens ergeht es damit wie anderen Branchen, etwa dem Hotelgewerbe oder Transportunternehmen. Wird jemand für ihre ausfallenden Einnahmen aufkommen? Und wenn ja, wie? Fragen wie diese dürften, so denn der erste Höhepunkt bei den Coronainfizierten erreicht ist, die Debatte bestimmen.
Für die staatlichen Einrichtungen hat Lederer bereits Forderungen an den Bund gestellt. Die Kulturinstitutionen „mit den finanziellen Folgen der Einschränkungen allein zu lassen wäre unverantwortlich“. Doch Wünsche wie diese wird es viele geben, aus unterschiedlichsten Richtungen. Niemand will, wenn erst mal en gros staatliche Entschädigungen verteilt werden, außen vor stehen.
Einige Künstler bitten deswegen bereits jene Menschen, die Karten für wegen Corona abgesagte Veranstaltungen hatten, diese explizit nicht zurückzugeben, um die Organisatoren finanziell zumindest etwas zu stützen. Ein guter Vorschlag, zumindest für all jene, die sich das leisten können und sich das auch in Zukunft weiter leisten (können) wollen.
14 Mar 2020
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Corona macht's möglich: Plötzlich ist die Provinz attraktiver als die Stadt und die Uncoolen sind systemrelevant.
Ein abgesagtes internationales Festival und eine Premiere in der Schaubühne in Berlin: Ein trauriger Rahmen um ein trauriges Stück Dystopie.
Die Gesundheitsverwaltung untersagt wegen des Virus Großveranstaltungen. An landeseigenen Bühnen wird laut Kulturverwaltung ab 500 Plätzen abgesagt.