taz.de -- Impfstoff gegen Corona: Chinas Wunderwaffe
Chen Wei ist Virologin und Ärztin der chinesischen Armee. Nun soll sie vor einem Durchbruch im Kampf gegen das Corona-Virus stehen.
Peking taz | Mit fest entschlossenem Blick steht Chen Wei in einem fensterlosen Raum, hinter sich die rote China-Flagge mit Hammer und Sichel. Gekleidet ist die Chinesin mit der Kurzhaarfrisur in Camouflage-Uniform. Den rechten Oberarm hat sie aufgeknüpft, damit eine Ärztin im Schutzanzug ihr eine Spritze injizieren kann. Bei den Fotos, die sich am Dienstag auf den sozialen Medien Chinas rasant verbreitet haben, soll die führende Biochemie-Expertin des Landes beim ersten menschlichen Test eines Coronavirus-Impfstoffs zu sehen sein.
Im Dezember wurde der Erreger in der [1][zentralchinesischen Metropole Wuhan] erstmals entdeckt. Seither hat er in China mit Stand vom Mittwoch 80.270 Menschen angesteckt und 2.981 getötet. Seit einigen Tagen jedoch liegen die Neuinfektionen außerhalb Chinas über denen im Land. Eine globale Eindämmung des Virus gilt aufgrund [2][der rasanten Verbreitung in Italien, Iran und Südkorea] als unrealistisch. Deshalb arbeiten Wissenschaftler weltweit an einem Impfstoff. Viele Experten rechnen mit mindestens einem Jahr Entwicklungszeit.
Dementsprechend überraschend hat am Dienstag das chinesische Staatsfernsehen einen „Durchbruch“ bei der Entwicklung eines Impfstoffs vermeldet – dank der 54-jährigen Chen Wei und ihres Forschungsteams, die mit 4.000 Medizinern der Volksbefreiungsarmee ins Epizentrum nach Wuhan entsandt wurden.
Als Wissenschaftlerin hat Chen bereits 2014 [3][den ersten Ebola-Impfstoff auf Genbasis] entdeckt. Ebenfalls soll sie laut chinesischen Medien eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung der Sars-Epidemie 2003 gespielt haben. Damals habe sie ein Nasenspray entwickelt, welches gefährdete Menschengruppen vor einer Ansteckung schützen soll. Wegen der Nebenwirkungen und den hohen Kosten war der Spray jedoch nicht für die Massenproduktion geeignet.
Alles nur Propaganda?
Geboren wurde Chen Wei in der ostchinesischen Provinz Zhejiang, wo sie auch an der örtlichen Universität Chemie studierte und später einen Master an der renommierten Tsinghua-Universität in Peking absolvierte. Im Zug in ihre Heimatstadt soll sie laut einem Fernsehbericht ihren späteren Ehemann getroffen haben, der zur Unterstützung seiner Frau seinen Beruf als Techniker aufgab und seither den Haushalt führt. Die beiden haben einen vierjährigen Sohn.
Ob die chinesische Wissenschaftlerin nun wirklich einen Durchbruch erzielt hat oder es sich nur um reine Staatspropaganda der Kommunistischen Partei handelt, wird sich wohl in den nächsten Wochen zeigen. Denn wie es mit der Entwicklung des möglichen Impfstoffes konkret weitergehen soll, hat der Bericht im Staatsfernsehen nicht erwähnt.
Die Erwartungen auf einen schnellen Impfstoff hat Chen in einem früheren Interview mit einem chinesischen Wissenschaftsmagazin selbst gedämpft: Es sei unrealistisch, dass man innerhalb eines Monats einen Impfstoff entwickeln könne, sagte sie. Und fügte dann jedoch an: „Aber einige exzellente Teams sind immer schneller und besser“.
4 Mar 2020
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Eine SWR-Doku über Corona in Wuhan arbeitet mit Bildern der staatlichen Produktionsfirma CICC aus China. Nun wird diskutiert, ob das in Ordnung ist.
Das Mainzer Unternehmen Biontech erprobt Wirkstoffe gegen Sars-CoV-2 zunächst an etwa 200 Menschen. Bis zum fertigen Impfstoff wird es aber dauern.
Chinas Regierung zieht neues Selbstbewusstsein aus den gesunkenen Infektionszahlen. Die Propaganda läuft auf Hochtouren – und verfängt.
Das Ausbreiten des Coronavirus offenbart die Vorteile regionaler Märkte. Den Verflechtungen der Weltgesellschaft können wir aber nicht entkommen.
Für die meisten Infizierten ist das Virus unbedenklich, aber sie können die Gefahr leicht übertragen. Deshalb sind drakonische Maßnahmen richtig.
Als eines der ersten verkaufte ein Berliner Unternehmen Tests für das neue Coronavirus. Geschäftsführer Olfert Landt und sein Team liefern weltweit.
Die Weltbank stellt Entwicklungsländern Milliarden an Soforthilfe zur Verfügung. Wirtschaftsminister Altmaier will kleinere Firmen unterstützen.
Mit Zahlen wird Politik gemacht – und Panik. Deshalb lohnt auch beim Coronavirus ein zweiter Blick auf die kursierenden Statistiken.
Dass die Leipziger abgesagt wurde, ist schade – aber auch verständlich. Denn nach der Messe ist auch sonst immer die halbe Branche krank.