taz.de -- Nahost-Friedensplan ohne Palästinenser: Falscher Handschlag

Den Palästinenser*innen wurde in Abwesenheit ein Staat ohne Kontrolle über die Grenzen versprochen. Sie haben schon bessere Angebote abgelehnt.
Bild: Ihr „Deal“ löst Proteste aus: US-Präsident Trump und Israels Ministerpräsident Netanjahu

Zu einem Deal gehören immer zwei. Die schütteln sich dann die Hände und sagen: „Abgemacht.“ Man sollte meinen, dass diese zwei die Israelis und Palästinenser*innen sein sollten, wenn es um Frieden zwischen den beiden geht. Doch am Dienstag schüttelten sich US-Präsident Trump und der israelische Ministerpräsident Netanjahu die Hände.

Bei der Veröffentlichung des „Deal of the century“, der endlich Frieden in Nahost schaffen soll, standen Trump und Netanjahu am Rednerpult im Weißen Haus, sprachen von einem „historischen Moment“, lobten sich für ihre Friedensbemühungen und schüttelten sich mehrfach die Hände. Der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde [1][Mahmud Abbas fehlte]. Denn seit Trump im Dezember 2017 angekündigt hat, die israelische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, hat die Palästinensische Autonomiebehörde den Kontakt zum Weißen Haus abgebrochen.

Über die Köpfe der Palästinenser*innen hinweg macht der sogenannte Peace Plan den Weg frei für die Legalisierung der Siedlungen im Westjordanland und zur Annexion des Jordantals.

Den Palästinenser*innen wurde in Abwesenheit ein demilitarisierter Staat ohne Kontrolle über die Grenzen und den Luftraum auf etwa 70 Prozent der Fläche der jetzigen Westbank versprochen – wenn sie sich gut benehmen. Doch die Palästinenser*innen haben schon weniger einseitige Angebote [2][abgelehnt].

Auf den Straßen in Gaza und im Westjordanland protestierten sie gegen den Plan und verbrannten Bilder von Netanjahu und Trump.

Absurdes Theater

Daran gestört haben sich anscheinend weder Trump noch Netanjahu. Bei der Verkündung des Plans im Weißen Haus wurde erneut deutlich: Der Plan ist kein Friedensplan, sondern ein Versuch von zwei Männern vor Gericht, die nächsten Wahlen zu gewinnen beziehungsweise nicht ins Gefängnis zu kommen – und in die Geschichte einzugehen.

Beide haben eine große Geschichte dringend nötig. Trump braucht eine, die [3][vom Impeachmentverfahren gegen ihn] ablenkt. Der Plan ging nicht auf, in den US-Medien wurde der Deal of the Century im Vorfeld kaum diskutiert. Details zum Amtenthebungsverfahren dominierten die Nachrichten.

Der israelische Premier muss [4][von seiner Anklage] in drei schwerwiegenden Korruptionsfällen und seinem zweifachen Scheitern bei der Regierungsbildung ablenken. Er hatte mit dem Ablenkungsmanöver mehr Erfolg: Seitdem Trump die Enthüllung angekündigt hatte, gab es in den israelischen Medien kaum einen Artikel, der sich nicht um den Deal und seine mutmaßlichen Inhalte drehte.

Beide wollen in die Geschichte eingehen, und zwar schnell, noch vor einem möglichen Gefängnisaufenthalt. Trump schlägt bekanntermaßen immer wieder vor, ihn selbst für den Friedensnobelpreis zu nominieren. Netanjahu versucht den Einzug in die Geschichtsbücher eher durch die Schaffung eines Groß-Israels: Direkt nachdem die USA mit dem Plan grünes Licht gegeben hatten, kündigte Netanjahu dementsprechend an, die Annexion des Jordantals am kommenden Sonntag anzugehen.

Mit diesem Schritt dürften die USA noch ein Stück mehr ihre historische Rolle als Mediator im Nahost-Friedensprozess verlieren.

Doch als absurde Show wird die Veröffentlichung sicherlich in die Geschichte eingehen.

29 Jan 2020

LINKS

[1] /Reaktionen-auf-US-Friedensplan/!5660762
[2] /Trumps-Plan-fuer-den-Nahen-Osten/!5660756
[3] /Impeachment-Verfahren-gegen-Trump/!5660466
[4] /Korruption-in-Israels-Regierung/!5650304

AUTOREN

Judith Poppe

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