taz.de -- Ausschreitungen im Libanon: Polizei treibt Gewaltspirale an
Die Gewalt bei den Protesten im Libanon nimmt zu. Vor allem die Sicherheitskräfte und Politiker eskalieren.
Dass die Proteste im Libanon [1][ein neues Ausmaß der Gewalt] erreicht haben, ist der eskalierenden Taktik der Sicherheitsbehörden und Politiker geschuldet. Am Wochenende kesselte die Bereitschaftspolizei die Protestierenden ein und warf gezielt Tränengas. Sie nutzte kleinere Aggressionen, wie die Entfernung von Barrikaden, um massiv Gewalt auszuüben. Polizisten schossen mit Schreckschusswaffen direkt auf die Protestierenden. Ein junger Mann verlor sein Augenlicht, einem anderen musste die Hand amputiert werden.
Deutlich wird die Aggression der Polizei auch gegenüber JournalistInnen, denen droht, von den Sicherheitskräften attackiert und verhaftet zu werden.
Die politische Elite zerstreitet sich währenddessen über Anteile im neuen Kabinett. Es kursieren Namen neuer Minister, die Berater der führenden politischen Klasse sind. [2][Das trägt zur Wut der Menschen bei], die mit dem Werteverlust der libanesischen Währung, steigenden Preisen, erheblichen Strom- und Internetausfällen konfrontiert sind. Viele Protestierende sehen deshalb Gewaltlosigkeit nicht mehr als Lösung an. Mit brennenden Reifen und zerstörten Bankautomaten wollen sie den Druck erhöhen, eine unabhängige Regierung zu formen.
Statt den Ärger zu dämpfen und den Forderungen entgegenzukommen, forderte Präsident Aoun Armee und Polizei auf, Eigentum zu schützen und die Ruhe wiederherzustellen. [3][So wird die Gewaltspirale vorangetrieben]. Die politischen Köpfe zeichnen das Bild der Protestierenden als Krawallmacher.
Tatsächlich verändert das die Atmosphäre. Protestierende ziehen mit zugezogenen Kapuzenpullis und Mundschutz auf die Straßen. Manche bringen Tennisschläger, um Tränengaskartuschen zurückzuwerfen, oder schießen Feuerwerkskörper. Das ist ein gefährlicher Wendepunkt für die Proteste, denn die Massen an UnterstützerInnen, die sonst mit der libanesischen Flagge auf die Straßen kamen, gehen verloren. Sie sind von den Bildern von Feuer und Tränengas abgeschreckt.
20 Jan 2020
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