taz.de -- Netflix-Film „Die zwei Päpste“: Die Wortfechter

„Die zwei Päpste“ erzählt von der Begegnung zwischen Benedikt XVI. und seinem späteren Nachfolger Franziskus. Und von den Eigenheiten der Kirche.
Bild: Franziskus (l.) ist auch Fußballgottstellvertreter

Man schreibt das Jahr 2005. Johannes Paul II. ist gestorben. Ein neuer Papst muss her. Kardinal Joseph Ratzinger erscheint als „natürlicher“ Nachfolger. Nicht unumstritten, doch er weiß sich, nach einigen Anläufen, durchzusetzen. Einer der Kardinäle, die gegen ihn antreten, heißt [1][Jorge Bergoglio].

Mit der Wahl Benedikts XVI. hebt Fernando Meirelles’ Spielfilm „Die zwei Päpste“ an. Schön detailverliebt ruht die Kamera in der Netflix-Produktion auf Eigenheiten der Kurie, die bei solchen Ereignissen dazugehören. Man sieht ein Kästchen voller Holzkugeln, auf denen die Namen der versammelten Kardinäle stehen.

Jeder von ihnen wirft bei der Abgabe des Stimmzettels seine Kugel in eine Metallschüssel, wo sie klingend vom Vorrücken der Abstimmung kündet. Ein Nadelöhr in Großaufnahme erinnert als Nächstes an das biblische Gleichnis mit dem Kamel, das unter bestimmten Bedingungen durch ein ebensolches zu gehen befähigt sei. Ganz praktisch dient die Nadel jedoch, wie nun zu sehen ist, lediglich dazu, die Stimmzettel nach der Auszählung miteinander zu vernähen. Mit rotem Faden.

„Die zwei Päpste“ ist ein Zeitgeschichtsfilm, der reale Ereignisse ausbuchstabiert und kommentiert, gern auch ironisch. So unterlegt Meirelles den Einzug der Kardinäle in die Sixtinische Kapelle mit Abbas Evergreen „Dancing Queen“, um sich ein bisschen über den pompösen Vatikanbetrieb lustig zu machen.

Vor allem aber zeigt der Film die informellen Treffen von Benedikt XVI. und Kardinal Bergoglio 2012 und spekuliert mit erkennbarem Interesse an theologischen Streitfragen darüber, was diese sehr unterschiedlichen Temperamente dabei unter Ausschluss der Öffentlichkeit gesagt haben könnten.

Teutonisch-steif, feingeistig-verkopft

Denn beide wollen zu diesem Zeitpunkt zueinander. Bergoglio, um seinen Rücktritt als Kardinal einzureichen. Benedikt XVI. hingegen will das um jeden Preis verhindern, weil er andere Pläne für den Kardinal hat.

Anthony Hopkins gibt den teutonisch-steifen, zugleich feingeistig-verkopften Benedikt XVI. mit souverän abgeklärter Schwerfälligkeit, lässt den als weltfremd geltenden Theologen zwischen zurückhaltender Freundlichkeit und intellektueller Arroganz hin und her gleiten. Jonathan Pryce spielt den sehr aufrecht auftretenden Bergoglio wunderbar zurückgenommen skeptisch.

Überhaupt ist dieser Film in erster Linie durch die Leistung seiner Hauptdarsteller bemerkenswert. Besonders das erste Aufeinandertreffen in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo erinnert im Tempo und Witz der Dialoge an einen verbalen Florettkampf.

Unversöhnliche Positionen werden wie Schläge ausgeteilt, wo der eine für die ewige Kirche einsteht, sieht der andere die Zeit für Reformen als längst überfällig an. Das Wortgefecht endet unentschieden, auch wenn Benedikt XVI. irgendwann halb tadelnd, halb anerkennend Bergoglio zugesteht, er habe wohl auf alles eine Antwort.

Kammerspielartiger Schlagabtausch

Meirelles belässt es allerdings nicht bei dieser Kollision konträrer Ansichten, sondern steuert auf eine allmähliche Annäherung der Streitparteien bei fortbestehenden Differenzen zu. Die Entwicklung scheint der Realität zu entsprechen, hat jedoch in diesem Fall den Nachteil, dass Meirelles recht schnell auf joviale Gesten zurückgreift, die der Begegnung etwas von ihrer Schärfe nehmen.

In der zweiten Hälfte, als klar ist, dass Benedikt XVI. [2][zurücktreten will] und er Bergoglio als seinen Nachfolger sieht, rückt unversehens Bergoglios Vergangenheit ins Zentrum des Geschehens. Bergoglio beginnt zu zögern und kommt auf seine unrühmliche Rolle während der Militärdiktatur in Argentinien in den siebziger Jahren zu sprechen.

Die Rückblenden, in denen Meirelles diese finsteren Jahre Revue passieren lässt, gehören zu den inhaltlich interessantesten Teilen des Films. Leider erzählt Meirelles diese Sequenz am wenigsten fesselnd, er hechelt sich fast uninspiriert durch die Vergangenheit. Auch kann Juan Minujín, der den jungen Bergoglio darstellt, nicht annähernd so viel Charisma entfalten wie sein älterer Kollege.

Dem Reiz des kammerspielartigen Schlagabtauschs zwischen Benedikt XVI. und Bergoglio tut das dauerhaft keinen Abbruch. In seinen besten Szenen ist „Die zwei Päpste“ richtig komisch und macht sich über die Kirche lustig, ohne die Gefühle religiös denkender Menschen ernsthaft zu verletzen. Wobei, dies sei verraten: Dass der ehemalige Papst anscheinend sehr schwache Beatles-Kenntnisse vorzuweisen hat, das könnte einen schon vom Glauben abfallen lassen.

27 Dec 2019

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AUTOREN

Tim Caspar Boehme

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