taz.de -- Nach dem Normandie-Gipfel in Paris: Mehr als nichts

Hoffnung für die Menschen in der Ostukraine: Der Normandie-Gipfel in Paris war nicht ergebnislos. Auch dank Selenskis souveränem Auftreten.
Bild: Keine schlechte Bilanz – Selenski und Macron nach dem Gipfel

Nein, der große Wurf war er nicht [1][der „Normandie-Gipfel“ in Paris,] der am Montag nach dreijähriger Auszeit erstmals wieder stattfand. Und doch geht von diesem Treffen vor allem für die gebeutelten und kriegsmüden [2][Menschen in der Ostukraine], wo fast täglich immer noch Tote und Verletzte zu beklagen sind, ein kleiner Hoffnungsschimmer aus.

Da ist zum einen der Umstand, dass sich die Ukraine und Russland unter Vermittlung von Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron überhaupt [3][an einen Tisch gesetzt haben]. Das ist nicht wenig in Zeiten, wo das Verhältnis zwischen den einstigen Brudervölkern durch Hass und Misstrauen nachhaltig vergiftet ist und die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen mit dem Terminus „frostig“ noch wohlwollend umschrieben sind.

Auch die inhaltlich vereinbarten Punkte sind mehr als nichts, wenngleich KritikerInnen entgegnen mögen, dass Postulate wie ein vollständiger Waffenstillstand oder [4][eine Truppenentflechtung] ja bereits im Minsker Abkommen von 2015 festgeschrieben sind – ergo Schnee von gestern. Eben nicht! Besonders an der Umsetzung dieser zentralen Punkte gebricht es ja bis zum heutigen Tag, Minsk II ist bis dato jedoch die einzige Grundlage, die für eine Beendigung des Konflikts zur Verfügung steht.

Genau da liegt aber auch ein grundsätzliches Problem. Denn weiter ungeklärt ist die Frage, welcher Chronologie die Abhaltung von Wahlen in den von Separatisten kontrollierten Gebieten im Donbass folgt. Abstimmen lassen, bevor die Ukraine die Kontrolle über die Grenze erhält oder umgekehrt? Hier ist der ukrainische Präsident Wolodymir Selenski, allen Beschimpfungen und Schmähungen an der heimischen nationalistischen Front zum Trotz, nicht eingeknickt. Alles in allem also keine schlechte Bilanz für den – bisweilen immer noch spöttisch belächelten – politischen Newcomer.

Das und eine anvisierte Neuauflage des Gipfels im kommenden März sind keine schlechten Voraussetzungen dafür, dass vielleicht bald ein Friedensprozess in Gang kommt, der diesen Namen auch verdient.

10 Dec 2019

LINKS

[1] /Verhandlungen-beim-Ukraine-Gipfel/!5645037
[2] /Krieg-im-Osten-der-Ukraine/!5628909
[3] /Gipfel-zum-Krieg-in-der-Ukraine/!5648407
[4] /Einigung-zum-Donbass/!5631069

AUTOREN

Barbara Oertel

TAGS

Schwerpunkt Emmanuel Macron
Wolodymyr Selenskyj
Russland
Schwerpunkt Angela Merkel
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Minsker Abkommen
Ostukraine
Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
taz на русском языке
Russland
Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine

ARTIKEL ZUM THEMA

Konflikt in der Ostukraine: Rückkehr als Osterei

Zwischen der Ukraine und pro-russischen Kämpfern sollen erneut Gefangene ausgetauscht werden. Derweil stranden viele wegen Corona an der Kontaktlinie.

Gefangenaustausch in der Ukraine: Umstrittene Übergabe

Die ukrainische Regierung und die ostukrainischen Separatisten haben Gefangene ausgetauscht. Dagegen haben 200 Bürger protestiert.

Gefangenentausch in der Ukraine: Bizarre Tauschgeschäfte

Schon am Montag wird sich die Frage nach der nächsten Übergabe stellen, die Suche nach neuem „Material“ geht weiter. Der Preis dafür ist hoch.

Verhandlungen beim Ukraine-Gipfel: Den Euromaidan verteidigen

In Paris wird im sogenannten Normandie-Format über einen Waffenstillstand im Osten der Ukraine verhandelt. Den Schlüssel dazu hat Wladimir Putin.

„Normandie“-Gipfeltreffen zur Ukraine: Ein wenig präsenter Krieg

Die Erwartungen an das Gipfeltreffen zum Ukraine-Konflikt sollten weder zu hoch noch zu niedrig sein. Schon Erleichterungen im Alltag wären wichtig.

Neue Regierung in der Ukraine: Selenski regiert durch

Die ersten 100 Tage laufen für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski gut. Nun hat er seine Wunschkandidaten in der Regierung untergebracht.

Parlamentswahl in der Ukraine: Selenskyjs Partei wird klar Sieger

Die Partei „Diener des Volkes“ des prowestlichen Präsidenten kommt auf knapp 44 Prozent. Das geht aus Prognosen kurz nach Schließung der Wahllokale hervor.