taz.de -- Wahlkampf in Großbritannien: Trump als Störfaktor
Beim Nato-Gipfel muss sich Boris Johnson mit Donald Trump zeigen. Dabei wirft ihm die Opposition ohnehin zu viel Nähe zum US-Präsidenten vor.
LONDON taz | Für [1][Boris Johnson] kommt das Nato-Gipfeltreffen zur Unzeit. Nicht nur muss der britische Premierminister eine gute Woche vor den Wahlen unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit ausländischen Politikern reden statt mit den eigenen Wählern. Er muss auch ausgerechnet in einem Wahlkampf, in dem die Labour-Opposition pausenlos die vermeintliche Nähe zwischen Johnson und Donald Trump anprangert, den US-Präsidenten empfangen. Der blickt dann vor 10 Downing Street grimmig und herausfordernd in die Kameras, als käme er zur Inspektion vorbei.
Er werde sich aus Großbritanniens Wahlen heraushalten, versicherte Trump am Dienstagmorgen vor Journalisten in der US-Botschaftsresidenz in London – „aber Boris ist sehr fähig und ich denke, er wird einen guten Job machen“. Er selbst sei schon immer ein Fan des Brexit gewesen, fügte Trump hinzu.
Den Labour-Vorwurf, wonach Johnson nach dem Brexit den Ausverkauf des staatlichen britischen Gesundheitsdienstes NHS an US-Firmen plane, schmetterte Trump ab: „Wir würden das nicht haben wollen, selbst wenn ihr es uns auf dem Silbertablett anbieten würdet.“
Das dürfte kaum ausreichen, um Trump aus dem Wahlkampf zu nehmen. Labour operiert zwar in einer relativ faktenfreien Zone: Aus angeblichen Geheimdokumenten über britisch-amerikanische Handelsgespräche konstruiert Jeremy Corbyn die Behauptung, Johnson wolle den NHS „an die Amerikaner verkaufen“.
Wahlkampthema Gesundheitsdienst NHS
Doch die Protokolle von Gesprächen auf unterster Referentenebene aus dem Jahr 2017 über die möglichen Rahmenbedingungen zukünftiger Handelsgespräche haben weder etwas mit Johnson zu tun, noch stützen sie die Labour-These. Denn aus ihnen geht hervor, dass der NHS kein Thema sei.
Doch was in der Öffentlichkeit hängenbleibt, ist, dass Corbyn teilgeschwärzte Papiere in die Kameras hält und Johnson sich dazu verhalten muss. Der Premier mag ständig betonen, der NHS stehe nicht zur Disposition – dann kontert Labour, man könne ihm nicht trauen.
Corbyn wiederum hat das Problem, dass er die Nato am liebsten abschaffen würde, für eine Annäherung an Russland plädiert und Sympathien für alle Feinde der USA und Israels weltweit hegt.
Ein Premier Corbyn wäre im Nato-Rahmen und für das britische Sicherheitsestablishment ein Alptraum. Die Frage, ob ein ehemaliges Objekt geheimdienstlicher Überwachung als Regierungschef Zugang zu allen Informationen der Geheimdienste bekäme, ist nicht leicht zu beantworten.
Johnson hingegen stünde für die Westbindung und für sicherheitspolitische Kontinuität. Bisher geht das britische Verteidigungsestablishment davon aus, dass er die Wahlen gewinnt.
Auf die Frage nach einem möglichen Corbyn-Wahlsieg flötet ein hoher Beamter des Verteidigungsministeriums so deutlich, wie man als hoher Beamter „so ein Blödsinn“ sagen kann: „Ich bin mir nicht sicher, dass auf eine solche Eventualität umfassende Vorbereitungen getroffen worden sind.“
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