taz.de -- Landwirt:innen protestieren in Berlin: Mit Kuhglocken gegen das Agrarpaket

Am Dienstag haben 10.000 Landwirt:innen gegen schärfere Umweltauflagen protestiert. Julia Klöckner warb um Verständnis für die Demonstrierenden.
Bild: Traktoren auf dem Weg zum Brandenburger Tor, Berlin, am Dienstag

Berlin taz/dpa | Mit tönenden Vuvuzelas, läutenden Kuhglocken und etwa 5.000 Traktoren standen sie vor dem Brandenburger Tor: Tausende Bäuerinnen und Bauern aus ganz Deutschland waren am Dienstag nach Berlin gekommen, um vor dem Brandenburger Tor gegen das Agrarpaket der Bundesregierung zu protestieren. Die zentrale Forderung: eine stärkere Einbeziehung der Landwirt:innen bei neuen Umweltauflagen.

Das Bündnis „Land schafft Verbindung“ hatte über soziale Netzwerke zur Großdemonstration aufgerufen. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner war vor Ort und kündigte für Montag, den 2. Dezember ein Treffen bei Kanzlerin Angela Merkel an, zu dem rund 40 landwirtschaftliche Organisationen eingeladen seien.

Bereits am frühen Dienstagmorgen bildeten sich kilometerlange Trecker-Konvois in Brandenburg, die den Berufsverkehr zum Teil behinderten. Zur Kundgebung kamen nach Angaben der Veranstalter:innen rund 10.000 Landwirt:innen. Auf den vielen Plakaten und Bannern standen Sprüche wie „Wer Bauern quält, wird abgewählt“ oder „Ist der Bauer ruiniert, wird dein Essen importiert“.

Der Protest richtete sich unter anderem gegen geplante schärfere Vorgaben zum Insekten- und Umweltschutz und gegen [1][Düngebeschränkungen] zum Schutz des Grundwassers. Diese würden die Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe gefährden. Außerdem wurde das [2][Mercosur-Handelsabkommen] und das „Bauernbashing“, also eine generell empfundene Missachtung der Politik und verschiedener NGOs gegenüber dem Berufsstand, kritisiert.

Opposition fordert grundlegende Änderungen an Agrarpolitik

Bundesumweltministerin Svenja Schulze warb vor demonstrierenden Bauern indes für klare Regeln zum Schutz von Grundwasser und Insekten. Sie wolle, dass Landwirte „Teil der Lösung“ seien, und setze darauf, dass auch die Bauern ein Interesse daran hätten, dass es in Zukunft noch sauberes Wasser und Bestäuber gebe. Nach Schulzes Rede gab es Buhrufe. Bereits vor dem Auftritt hatte ein Redner ihren Rücktritt gefordert.

Wenige Stunden zuvor hatte sich Klöckner während einer Landwirtschafts-Etatdebatte im Bundestag für mehr Verständnis für die Lage der Landwirte ausgesprochen. „Sie haben es satt, aus städtischer Perspektive belehrt zu werden, wie Landwirtschaft auszusehen hat“, sagte sie. Zugleich betonte sie, dass strengere Düngeregeln umgesetzt werden müssten, um EU-Strafzahlungen wegen zu viel Nitrat im Grundwasser zu verhindern.

Abgeordnete aus Opposition und SPD forderten grundlegende Änderungen der Agrarpolitik. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte, das EU-Subventionssystem müsse von Masse auf Klasse umgestellt werden. Die Linken-Abgeordnete Heidrun Bluhm-Förster betonte, dass Umwelt und Tierschutz nicht allein von den Landwirt:innen zu stemmen seien.

Der Bundestagsfraktionschef der Grünen, Anton Hofreiter, hatte den demonstrierenden Landwirt:innen bereits vor Beginn der Demo vorgeworfen, sie verfolgten einen „falschen Ansatz“. Zugleich müsse man die Landwirte verstehen. „Sie stehen nach Jahren falscher Agrarpolitik wirklich mit dem Rücken zur Wand.“

Es ist nicht das erste Mal, dass die verärgerten Landwirt:innen demonstrieren. [3][Bereits Ende Oktober wurde bundesweit protestiert].

26 Nov 2019

LINKS

[1] /Nitrat-im-Grundwasser/!5630462/
[2] /Fuer-und-Wider-des-EU-Mercosur-Abkommens/!5628561/
[3] /Landwirte-blockieren-Strassen/!5633024/

AUTOREN

Leonie Asendorpf

TAGS

Landwirtschaft
Protest
Umweltschutz
Agrarpolitik
Brandenburger Tor
Slow Food
Landwirtschaft
Düngemittel
Landwirtschaft
Düngemittel
Schwerpunkt Pestizide

ARTIKEL ZUM THEMA

„Wir haben es satt!“-Demo: Vor der Demo zur Schnippeldisko

Am Vorabend der „Wir haben es satt!“-Demo wird wieder Gemüse geschnippelt und getanzt. Wie das geht, erklärt eine Mitarbeiterin von Slow Food Youth.

CDU will zu enge Käfige legalisieren: Agrarministerin Klöckners Sauerei

Sauen sollen noch 17 Jahre in Gestelle gesperrt werden dürfen, in denen sie nicht die Beine ausstrecken können. Jetzt ist das illegal, aber üblich.

Belastung der Umwelt: Zu viel Dünger

Die Landwirtschaft brachte von 2008 bis 2017 deutlich mehr Stickstoff aus, als Pflanzen aufnehmen konnten. Das belastet Wasser, Klima und Natur.

Bauernproteste gegen Umweltauflagen: Die Lügen der Bauernflüsterer

Am Dienstag demonstrieren Landwirte in Berlin gegen Umweltauflagen. Mitorganisator ist ein Bauernverband, der auf Facebook Desinformationen verbreitet.

Umweltbelastung durch Dünger: Verseuchen Bauern das Wasser?

Der taz-Faktencheck zeigt: Der durchschnittliche Landwirt düngt zu viel und belastet das Grundwasser. Das ist eine Gefahr für Gesundheit und Umwelt.

Landwirte blockieren Straßen: Proteste gegen „Bauernbashing“

Bundesweit protestierten mehrere Tausend Landwirt*innen gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung. Auch in Frankreich begehren Bauern auf.