taz.de -- Aktivistin über Chile-Soli-Demo: „Sie schießen auf die Augen“
Bremer*innen demonstrieren gegen die Menschenrechtsverletzungen in Chile. Sie wollen eine neue Verfassung für das Land, sagt Lorena Moreno.
taz: Frau Moreno, kommen Sie heute mit Topfdeckeln zum Goetheplatz?
Lorena Moreno: Ja, wir haben ganz intuitiv die [1][Protestformen aus Chile selbst] übernommen, mit denen wir uns solidarisieren. Dazu gehört der Lärm mit Topfdeckeln und Kochlöffeln, es gehört Musik dazu, Gitarren und Protestsongs.
Die alten Lieder …?
Auch die, natürlich das „Pueblo Unido“, das kennt jeder. Aber es sind ja auch junge Menschen hier, Kinder der ExilantInnen und viele, die dort keine Perspektive hatten. Und die neue Generation hat neue Lieder: „Chile Despertó“ ist die aktuelle Parole, Chile ist aufgewacht – nach 30 Jahren im Koma.
Dabei galt es als Südamerika-Musterland?
… unter einer [2][Verfassung die von der Pinochet-Diktatur 1980 erlassen wurde]! Deren Wirtschaftsordnung hat den Totalausverkauf des Landes ermöglicht: Chile ist von Pinochets-Beratern, den Chicago-Boys, zum Versuchskaninchen für einen komplett entregelten Markt gemacht worden. Mittlerweile ist selbst das Trinkwasser privatisiert. Es gibt ganze Flüsse, die von Konzernen aus Spanien und den USA gekauft wurden. Die gehören denen. Und das Volk hat nichts zu trinken.
Gefordert wird der Rücktritt des Präsidenten?
Natürlich muss Piñera weg, aber wir brauchen auch eine neue Verfassung: Im ganzen Land beraten Arbeitsgruppen, was in der stehen soll.
Und wie regiert die Regierung?
Mit massiven Menschenrechtsverletzungen. Wir haben viele Berichte darüber, wie Polizei und Militär vorgehen: Sie schießen gezielt auf die Augen der Demonstrierenden, mit Hartgummigeschossen. Es gibt sexuelle Gewalt, die bewusst eingesetzt wird. Und wir sprechen von einem Land, das als Demokratie gilt.
12 Nov 2019
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