taz.de -- Landtagswahl in Thüringen: Linke erstmals Nr. 1

Bodo Ramelow bringt seiner Partei in Thüringen den Wahlsieg. Die Koalitionsbildung könnte mehr als schwierig werden. Klarer Verlierer: die CDU.
Bild: Ministerpräsident Bodo Ramelow (Mitte) bei der Stimmabgabe am Nachmittag

Berlin taz | Die Linkspartei hat die Landtagswahl in Thüringen gewonnen und stellt erstmals die größte Fraktion in einem deutschen Landtag. Laut Hochrechnungen kam die Partei von Ministerpräsident Bodo Ramelow auf rund 30 Prozent der Stimmen. Ihr Ergebnis von 2014 konnte sie damit noch mal verbessern. Ein Grund für den Erfolg könnte die Popularität von Ramelow sein, der seit fünf Jahren als bundesweit erster und einziger Linke-Politiker eine Landesregierung anführt und auf den der Wahlkampf seiner Partei komplett zugeschnitten war.

Die rot-rot-grüne Koalition hat ihre bisherige Mehrheit von einem Sitz im Landtag aber offenbar eingebüßt. Die SPD, die schon 2014 stark verloren hatte, konnte sich als Juniorpartner der Linken nicht erholen und sackte weiter ab. Die Partei von Spitzenkandidat Wolfgang Tiefensee landete deutlich unter 10 Prozent. Die Grünen, die es beim letzten Mal nur knapp in den Landtag geschafft hatten, konnten sich entgegen dem Bundestrend nicht verbessern. Ihr Wiedereinzug war bei Redaktionsschluss sogar noch unklar.

Ramelow sagte am Wahlabend dennoch, er werde den „Regierungsauftrag annehmen“. Realistische Koalitionsoptionen neben Rot-Rot-Grün hat er aber nicht. Sowohl FDP (deren Einzug zunächst auch noch unklar war) als auch CDU lehnten ein Regierungsbündnis mit der Linkspartei am Sonntag ab. CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring sagte aber, die demokratischen Parteien müssten „in Ruhe bereden, wie man miteinander umgeht“.

Denkbar ist eine Minderheitsregierung. Ohnehin könnte Ramelow als Ministerpräsident im Amt bleiben, selbst wenn er im Landtag keine neue Mehrheit findet. Die Landesverfassung sieht keine Frist vor, innerhalb der das Parlament eine neue Regierung wählen muss. Die bisherigen MinisterInnen könnten also geschäftsführend im Amt bleiben und müssten sich für Gesetzesvorhaben und den Haushalt jeweils Stimmen aus der Opposition organisieren.

In Deutschland ist so ein Modell ungewöhnlich. Allerdings gibt es im neuen Landtag auch für Koalitionen jenseits des linken Lagers wohl keine Mehrheit. Die CDU, die im Freistaat von 1990 bis 2014 ununterbrochen die MinisterpräsidentInnen stellte, ist erstmals nicht mehr stärkste Partei. Sie hat über 10 Prozentpunkte verloren und liegt laut Hochrechnungen nur noch bei rund 22 Prozent. Noch nicht mal in einem Vierer-Bündnis mit SPD, Grünen und FDP hätte die Union eine Mehrheit. Auch für eine Koalition mit der AfD würde es wohl nicht mal rechnerisch reichen. Ohnehin hatte Mohring solch ein Bündnis schon vor der Wahl entschieden ausgeschlossen.

Die AfD des extrem rechten Spitzenkandidaten Björn Höcke hat im Vergleich zur Landtagswahl 2014 stark zugelegt, bleibt gegenüber der Bundestagswahl 2017 aber relativ konstant bei über 23 Prozent der Stimmen. Sie ist zweitstärkste Partei.

[1][Gestiegen ist die Wahlbeteiligung]: Sie lag bei rund 65 Prozent (2014: 52,7).

27 Oct 2019

LINKS

[1] /Landtagswahl-in-Thueringen/!5636306

AUTOREN

Tobias Schulze

TAGS

Schwerpunkt Landtagswahlen
Björn Höcke
Bodo Ramelow
Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen
Mike Mohring
Wahlen in Ostdeutschland 2024
Schwerpunkt Landtagswahlen
Lesestück Meinung und Analyse
Schwerpunkt Landtagswahl Thüringen
Schwerpunkt Landtagswahlen
Schwerpunkt Landtagswahlen
Schwerpunkt Landtagswahlen
Schwerpunkt Landtagswahlen
Schwerpunkt Landtagswahlen
Schwerpunkt AfD
Rot-Rot-Grün
Schwerpunkt Landtagswahlen

ARTIKEL ZUM THEMA

Landtagswahl in Thüringen: Schnuppern erlaubt

Nach den Wahlen feiert sich Thüringens Linke-Chef Bodo Ramelow. Die Frage ist, wie lange. Mit der CDU dürfte eine Zusammenarbeit schwierig werden.

AfD bei der Thüringen-Wahl: Die Macht des „Flügels“

Thüringens AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke ist zugleich Galionsfigur der parteiinternen extrem rechten Strömung. Der starke Mann im „Flügel“ ist er nicht.

Nach der Landtagswahl in Thüringen: Es wird kompliziert

Wahlsieger in Thüringen ist Ministerpräsident Ramelow mit den Linken. Doch wichtig ist: Ist die CDU bereit, den linken Regierungschef zu stützen?

Die Linke bei der Wahl in Thüringen: Ramelow räumt ab

Die Linke überholt die CDU und wird bei der Landtagswahl in Thüringen zur stärksten Kraft. Aber kann Ramelow auch Ministerpräsident bleiben?

Landtagswahl in Thüringen: Herbe Klatsche für die Grünen

Die erfolgsverwöhnten Grünen bleiben bei der Landtagswahl in Thüringen weit hinter den Erwartungen zurück. Woran liegt das?

Landtagswahl in Thüringen: AfD erwartbar flügelstark

Höcke legt zu, toppt aber nicht das sächsische AfD-Ergebnis. Als ProtestwählerInnen gehen die meisten AfD-AnhängerInnen nicht mehr durch.

Landtagswahl in Thüringen: CDU schrumpft um ein Drittel

So schlecht wie am Sonntag hat die CDU in Thüringen noch nie abgeschnitten. Das Ergebnis wird auch ein Problem für Annegret Kramp-Karrenbauer.

Landtagswahl in Thüringen: Ein halbes Wunder

Der Wahlerfolg in Thüringen ist vor allem ein Verdienst von Bodo Ramelow. Eine Koalition von Linkspartei und CDU aber wäre die falsche Entscheidung.

Landtagswahl in Thüringen: Wahlbeteiligung deutlich höher

Die Polarisierung vor der Wahl in Thüringen lässt die Wahlbeteiligung steigen: Am Mittag zeichnet sich eine deutlich höhere Teilnahme ab als 2014.

Landtagswahl in Thüringen: Bodo kämpft um sein Amt

Die Thüringer*innen wählen seit Sonntagmorgen ihre neue Landesregierung. Aktuelle Umfragen sprechen gegen Rot-Rot-Grün. Aber auch gegen viele andere Koalitionen.

Wahlkampfendspurt in Thüringen: Knappes Ergebnis erwartet

Die Thüringer entscheiden am Sonntag über einen neuen Landtag. Den letzten Umfragen zufolge wird es spannend. Rot-Rot-Grün könnte die Regierungsmehrheit verlieren.