taz.de -- Landtagswahl in Thüringen: Bodo kämpft um sein Amt
Die Thüringer*innen wählen seit Sonntagmorgen ihre neue Landesregierung. Aktuelle Umfragen sprechen gegen Rot-Rot-Grün. Aber auch gegen viele andere Koalitionen.
Berlin/Erfurt afp/rtr/taz | Seit Sonntagmorgen haben in Thüringen die Wahllokale geöffnet. Rund 1,73 Millionen Wahlberechtigte sind bis 18.00 Uhr aufgerufen, ihre Stimme [1][bei der Landtagswahl] abzugeben. Erste Hochrechnungen werden kurz nach Schließung der Wahllokale erwartet. Bodo Ramelow kämpft um sein Amt als erster linker Ministerpräsident Deutschlands und um eine Fortsetzung seiner rot-rot-grünen Koalition.
In Umfragen lag die Linkspartei mit 27 bis 29 Prozent zwar vorn, doch ihre bisherigen Koalitionspartnerinnen, die SPD und die Grüne liegen teils deutlich unter zehn Prozent. Die SPD unter Wolfgang Tiefensee rutscht ab und liegt momentan zwischen acht bis neun Prozent. Bei den Landtagswahlen 2014 kamen sie noch auf 12,4 Prozent. Die Grünen legten zwar im Vergleich zu 2014 (5,7 Prozent) zu und liegen bei sieben bis acht Prozent , doch für eine Mehrheit [2][für Rot-Rot-Grün könnte es trotzdem knapp werden].
Auch für andere Konstellationen war keine Mehrheit in Sicht. Die CDU, 2014 stärkste Kraft (33,5 Prozent) , aber ohne Koalitionspartner in die Opposition gezwungen, muss mit herben Verlusten rechnen. In Umfragen liegt sie mit 24 bis 26 Prozent einige Prozentpunkte hinter den Linken. Das Linksbündnis abzulösen, wie es CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring eigentlich will, könnte für die Christdemokraten also schwierig werden. Denn eine Zusammenarbeit mit der AfD unter ihrem Landeschef Björn Höcke, die mit einem starken Ergebnis rechnen kann, lehnt die CDU ab.
Beim Erfurter taz-Wahlforum positionierte sich Mohring, der erst kürzlich mehrmals, [3][Morddrohungen] – mutmaßlich von Rechtsextremisten – erhielt, klar gegen eine Koalition mit der AfD. [4][„Höcke ist ein Nazi“], erklärte er seine Einstellung zum Landesschef der Rechtspopulisten und [5][zu einer möglichen Koalition]. Es gäbe in dieser Hinsicht kein Fackeln, „weder vor noch nach der Wahl“. Möglich wäre für die CDU allerdings eine sogenannte Simbabwe-Koalition mit SPD, Grünen und FDP.
AfD und CDU etwa gleichauf
Für die FDP bleibt der Wiedereinzug in den Landtag eine Zitterpartie. In den Umfragen erreichten die Liberalen vier bis fünf Prozent, ein deutlicher Gewinn gegenüber der Wahl 2014, bei der sie nur 2,5 Prozent der Stimmen erhielt. Die FDP hatte im Vorfeld erklärt, nicht als möglicher vierter Partner für Rot-Rot-Grün zur Verfügung zu stehen. Die AfD dürfte ihr Ergebnis gegenüber 2014 (10,6 Prozent) verdoppeln und mit der CDU gleichziehen. In aktuellen Umfragen liegt die Partei zwischen 20 und 24 Prozent. Aber keine der anderen Parteien möchte mit ihr koalieren.
Mit dem vorläufigen amtlichen Ergebnis rechnete Landeswahlleiter Günter Krombholz frühestens gegen 22.30 Uhr. Sollte Rot-Rot-Grün die parlamentarische Mehrheit verlieren und auch keine andere Option möglich sein, dann könnte Ramelow trotzdem vorerst im Amt bleiben. Artikel 75 der Thüringer Landesverfassung ermöglicht dem Ministerpräsidenten und der gesamten Landesregierung, die Geschäfte bis zum Amtsantritt ihrer Nachfolger fortzuführen. Rot-Rot-Grün könnte damit geschäftsführend im Amt bleiben.
27 Oct 2019
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