taz.de -- Razzia in Hamburger Hausprojekt: Spuren von der Parkbank
Die Durchsuchung eines Hausprojekts steht wohl im Zusammenhang mit den „Drei von der Parkbank“ und dem Jahrestag des G20-Gipfels.
Hamburg taz | In linken WGs ist es üblich, dass die Bewohner*innen ihren Namen an die jeweilige Zimmertür schreiben. So weiß die Polizei im Falle einer Wohnungsdurchsuchung, in welchem Zimmer sie suchen muss, um Hinweise zu einer bestimmten Person zu finden, und durchsucht nicht alle Zimmer – so die Hoffnung. Wie es am vergangenen Mittwoch bei der Durchsuchung eines linken Hausprojekts in Wilhelmsburg ablief, ist nicht ganz klar – die Polizei war 20 Minuten allein in der Wohnung, bis die Bewohner*innen eintrafen.
Der Grund für die Razzia war das Verfahren gegen die „Drei von der Parkbank“. In der Nacht auf den 8. Juli, am zweiten Jahrestag des G20-Gipfels in Hamburg, waren drei Personen in einem Park in Eimsbüttel festgenommen worden – angeblich, weil sie sich auffällig verhalten hatten. In einem ihrer Rucksäcke fanden die Ermittler*innen Brandsätze und einen Notizzettel mit Adressen, die mit der Hamburger Wohnungswirtschaft in Zusammenhang stehen.
Zwei von den Dreien sitzen seit der Festnahme in Untersuchungshaft, der Grund: Fluchtgefahr und ein hohes erwartetes Strafmaß. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen „gemeinschaftliche Verabredung zum Verbrechen der schweren Brandstiftung in Tateinheit mit dem Verstoß gegen das Waffengesetz“ vor.
Polizei bestätigt Zusammenhang nur indirekt
Die dritte Person sei unter Auflagen freigekommen, weil bei ihr im Gegensatz zu den anderen die Wohn- und Meldeanschrift übereinstimmten, erklärt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Nana Frombach. Die Person wohnt nach taz-Informationen in dem Wilhelmsburger Wohnprojekt.
Dass die Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit dem Parkbank-Verfahren steht, bestätigt Polizeisprecher Ulf Wundrack nur indirekt: „Es handelte sich um eine Durchsuchung des Staatsschutzes aus einem laufenden Ermittlungsverfahren heraus und diente zum Auffinden von schriftlichen Unterlagen.“ DNA-Proben seien ebenfalls genommen worden. Die Durchsuchung habe sich auf das Zimmer der Beschuldigten sowie gemeinschaftlich genutzte Räume erstreckt.
Ein [1][Eintrag auf Indymedia] hatte zuerst über den Zusammenhang berichtet – Bewohner*innen des Projekts bestätigen diesen. „Das LKA benahm sich auf gewohnte Weise daneben“, schreiben die Indymedia-Autor*innen außerdem. „ZeugInnen wurden nicht zugelassen und weitere Räumlichkeiten der Wohnung betreten.“
Solidarische Sabotageaktionen
Der Fall der „Drei von der Parkbank“ hatte für Solidaritätsbekundungen weit über Hamburg hinaus gesorgt. Ein linkes Zentrum in Wien schickte Soli-Grüße; Gruppen in Leipzig, Frankfurt, Bremen, Berlin und anderen Städten schickten Soli-Fotos und widmeten den Dreien Anschläge auf Autos [2][und andere Sabotageaktionen]. Eine Unterstützer*innengruppe betreibt [3][einen Blog], auf dem sie Updates postet, Solidaritätsbekundungen sammelt und Termine veröffentlicht, beispielsweise für Soli-Konzerte.
Gleichzeitig sorgt das Verfahren aber auch für eine gewisse Unruhe: Die Behauptung, dass die Beschuldigten wegen ihres auffälligen Verhaltens kontrolliert worden seien, kommt vielen unglaubwürdig vor. Denn wie auffällig soll man sich verhalten, um nachts als weiße Person in Eimsbüttel kontrolliert zu werden – vor allem, wenn man Brandsätze dabei hat?
16 Oct 2019
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