taz.de -- Ein Bild sagt alles: Tindermatches aus der Hölle
Kosmopoliten, White Saviour und der coole Homie: Diese weißen Männer, die immer nur schwarze Frauen daten wollen. Ich will keinen von ihnen.
Monate nach meiner Trennung saß ich mit meinen Freunden P. und K. auf meiner grünen Couch, die mein Ex-Freund hässlich (stimmt nicht) und ungemütlich (stimmt) fand. Sie „überredeten“ mich, dass ich mich bei Tinder anmelde [1][und ins Datingleben stürze]. Die schwierigste Aufgabe war, Profilbilder auszuwählen. Das erste Bild war eins, auf dem ich meinen Afro offen trug, das nächste mit Braids und dann noch eins mit einem Tuch in den Haaren. Ich machte mir natürlich auch Gedanken über die Typen, die ich damit anziehen (oder eher ausziehen – höhö, sorry) wollte. [2][Die Wahl der Profilbilder] hat nämlich Einfluss auf deine Matches, duh.
Ich wusste zumindest schon mal, wen ich nicht ansprechen wollte: Auf keinen Fall diese *einen* weißen Typen. Jede schwarze Frau weiß, welche ich meine. Es gibt nämlich ein paar Kategorien von weißen Typen, die nur schwarze Frauen daten wollen. Here goes:
1. Holger, 48, war mit seiner mittelständischen Firma (Hidden Champion, Zulieferer von Schrauben) schon ein paar Mal in New York („Brooklyn hat sich stark verändert, aber dort passiert einfach am meisten“) und mit seiner ersten Ehefrau Julia zweimal in Kenia und in Namibia auf Safariurlaub. Er ist ein gottverdammter Kosmopolit und hat schon einiges von der Welt gesehen. Profilbild(er): ein schwarz-weißes Porträtbild, das er auch auf Xing benutzt, sowie ein Bild von ihm im Urlaub mit kurzen Peek-&-Cloppenburg-Cargohosen, aus dem seine Ex-Frau Sabine ganz schlecht rausgeschnitten ist. Im Hintergrund sind Zebras zu sehen und ein schwarzer Ranger.
2. Flo, 27, kommt ursprünglich aus Herford, trägt Dreadlocks und hat in Münster Philosophie und Ethnologie studiert. Er kann über Work and Travel in Australien nur lachen, denn er hat ein Waisenhaus in Uganda aufgebaut. Also mitgeholfen. Irgendwie. [3][Also seine Eltern haben das Dach finanziert.] Es hat ihn unfassbar mitgenommen, wie wenig die Menschen dort haben, aber wie glücklich sie dennoch zu sein scheinen. Davon können wir uns im konsumgeilen Deutschland eine Scheibe abschneiden, findet er. Sein Profilbild – ihr ahnt es – zeigt ihn umgeben von schwarzen (und sehr, sehr glücklichen) Kindern.
3. Ben, 31 Jahre alter HipHop-Head. Kommt aus Mülheim an der Ruhr („Ja, da kommt auch Manuellsen her. Ist ein guter Homie von mir“) und ist immer „lit“. Er veranstaltet Events und sprach vor drei Jahren noch von „Black Music“. Er hat fast nur schwarze Freunde (die er Homies nennt) und wird dir nach dem dritten Date erklären wollen, warum er das N-Wort sagen kann, weil er wirklich Teil der Community ist. Profilbilder: er im Auto mit einer verspiegelten Sonnenbrille; er im Urlaub in Antalya mit seinen „Homies“. Das letzte Bild ist ein Screenshot von dem Mos-Def-Album „Black on Both Sides“ (O-Ton: „Hat mich so unfassbar geprägt“).
Jetzt ratet mal, wer mein erster Match war? 1, 2 oder 3?
10 Oct 2019
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Es ist nicht leicht, in Coronazeiten den richtigen Partner zu finden. Wie verabschiedet man sich von Dates, die man in der Pandemie nicht sehen will?
Weltoffen und wohltätig, oder doch eher herablassend? Woran man frühzeitig erkennen kann, ob man eine Person mit „weißem Retterkomplex“ datet.
Weaves, Afro, Braids oder Kente-Tuch? Die Wahl der richtigen Frisur ist für schwarze Frauen kompliziert – vor allem bei Tinder-Dates.
Weiß-Schwarze Paare kriegen oft diese scheinbar unschuldige Frage gestellt. Dabei kann sie ziemlich weh tun. Drei Beispiele.
Schwiegereltern treffen ist immer verkrampft. Aber Schwiegereltern treffen als schwarze Frau in Deutschland ist Hochleistungssport.
Schwarz zu sein, hat Einfluss auf das gesamte Leben. Richtig bewusst wurde das unserer Autorin auf ihrer ersten Klassenfahrt.
Eine einzige Kurzgeschichte machte Kristen Roupenian in Zeiten von #MeToo zum Shootingstar. Nun erscheint ihr Erzählungsband „Cat Person“.