taz.de -- SPD, „Viagra offroad“ und von der Leyen: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Warum das „SU“ in SUV für Sowjetunion steht, Trump eine Lusche ist und sich E-Scooter-Fahrer in Dortmund nicht mehr ausloggen können.
Bild: Denkt sich vielleicht gerade ein neues Ressort für die EU-Kommission aus: Ursula von der Leyen

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: „Menschheitsherausforderung“ – „Kraftakt“: Beim Thema Klima radikalisiert sich Merkel zusehends.

Und was wird besser in dieser?

Merkel und Özdemir – wäre noch mal ein Duo für die SPD.

Die Menschen haben einen neuen Feind. Er ist groß, fährt auf vier Reifen und [1][hört auf den Namen SUV]. Wie sollen wir mit dieser vermeintlichen Bedrohung umgehen?

Unser Haupt neigen vor der Weisheit der KPdSU. 1970 besuchte der sowjetische Ministerpräsident Alexei Kossygin die AvtoVAZ-Werke in Togliatti. „Für unsere Dorfbevölkerung“ möge der „Shiguli“, ein Fiat-Nachbau, doch bitte Allrad und hohe Beine bekommen. Die aufgebockte Geländelimousine bekam den Typnamen „Lada Niva“ und lieferte die Folie für alle modernen SUVs – wobei „SU“ natürlich für Sowjetunion steht.

Als „Lada 4x4“ wurde der trutzige Rollschrank ein keuscher Exportschlager – getreu Lenins Wort „Wir müssen den Kapitalisten nur genug Stricke liefern, und sie werden sich selbst aufhängen“. Klappt. 3,1 Millionen davon fahren heute in Deutschland, dieses Jahr soll erstmals eine komplette Mio neuer SUVs hinzukommen. Der kommerzielle Durchbruch gelang dem Fahrzeugkonzept mit dem Toyota RAV4 und seinem TV-Spot 2002, in dem der Knabe dem Vater zum Fahrstil gratuliert : „Toll, Papa, Mutti hätte bestimmt gekotzt!“ Spricht für ein Sondermodell „Viagra offroad“.

Die zukünftige EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat sich ein [2][neues Fachressort ausgedacht: „Schutz des europäischen Lebensstils“]. Was bitte schön ist das denn jetzt schon wieder?

Ein Unfall. Und je länger man drüber nachdenkt, desto klaffender bildet sich im Hirn eine tadellose Rettungsgasse. Links: von der Leyens Lesart, im bisherigen Ressort für Migrations- und Asylpolitik sollten Werte des Lissabon-Vertrages gelebt werden. Also Wahrung der Menschenrechte, Gerechtigkeit, Solidarität. Rechts: hört „Schutz“, „Leben“ und „Europa“ im Kontext von Migration und Flucht und empfindet Ertrinkende im Mittelmeer als etwas, wovor man uns schützen müsse. Es fällt nicht schwer, von der Leyens Hütchenspieler-Rhetorik als zynisch zu empfinden. Nur, für uns Gelegenheitsdeutschlehrer: Menschenrechte, Menschenwürde, Gleichheit – wer das als „Stil“ tituliert, lässt sich die Grundwerte beim Friseur ondulieren.

In Israel läuft der Wahlkampf auf Hochtouren. Für Benjamin Netanyah geht es um alles oder nichts. Nun hat er angekündigt im Falle eines Sieges das Jordantal zu annektieren. Ist das der Todesstoß im Israel-Palästina-Konflikt?

Sein Kumpel [3][Trump will Grönland nur „kaufen“] – die Lusche. Auch als Freund Israels hat man jetzt Probleme, wenn die vorwärtsdrängende Siedlungspolitik kritisiert wird: als militärische Vorhut mit Backsteinen. [4][Netanjahu macht aus zweifelhaften Siedlern unzweifelhafte Kriegsgründe]. Die UNO, die EU, natürlich die Palästinenser und heftig die Türkei schäumen – doch Netanjahu verweist auf einen „Friedensplan“, den Trump angekündigt habe. Hier fehlt etwas europäischer Lebensstil.

Google zahlt Frankreich wegen eines Steuerstreits nun fast eine Milliarde Euro. Wie sollte Frankreich das Geld am besten investieren?

Keine Ahnung, sollnse googeln. Frankreich hatte sich um eine EU-weite Steuer bemüht und nachdem das scheiterte, eine nationale eingeführt. Prompt drohte Präsident Trump mit „Strafzöllen auf französischen Wein“. Macron charmierte ihn mit dem Vorschlag, eine OECD-Lösung zu finden und bis dahin national zu kassieren. Nun stehen die Deutschen doof da – Olaf Scholz hatte die französische Einladung abgelehnt. Eingabe: „Olaf Scholz, Digitalsteuer“, Ergebnis: 21.000 Fundstellen, Tenor: „verhindert“ – „warnt“ – „bremst“ – „gescheitert“.

Die evangelische Kirche will gemeinsam mit anderen Organisationen ein Schiff für Seenotrettung im Mittelmeer kaufen. Muss die Kirche nun abfangen, was die Politik nicht hinbekommt?

„Dabei sollten sich Politik und Religion nie vermischen“, tadelt zum Beispiel der rechtsliberale Cicero und fasst den Tenor vielerlei Empörung gegen die Pfaffenbarke zusammen. Im Hintergrund stelle man sich den Untergang der Arche Noah vor.

Und was machen die Borussen?

Die Dortmunder Polizei warnt: Bei Großveranstaltungen wie dem Heimspiel gegen Leverkusen kann das Handynetz zusammenbrechen – und E-Scooter-Fahrer können sich nicht mehr ausloggen. Teuer.

15 Sep 2019

LINKS

[1] /Die-Geschichte-des-SUV/!5623860
[2] /EU-Kommission-in-Bruessel/!5625547
[3] /Donald-Trump-moechte-Groenland-kaufen/!5616122
[4] /Netanjahus-Annexionsplan/!5622468

AUTOREN

Friedrich Küppersbusch

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