taz.de -- Maßnahmen gegen Politik Brasiliens: Finnen wollen Bolsonaro auslisten

Helsinki schlägt vor, dass die EU kein Rindfleisch und kein Soja mehr aus Brasilien importiert. Die Zahl der Feuer im Amazonas steigt weiter.
Bild: Das Steak von solchen Rindern wollen viele Finnen nicht mehr essen

Stockholm taz | Die Zahl der Waldbrände im brasilianischen Amazonasgebiet hat weiter zugenommen. Satellitenaufnahmen des brasilianischen Instituts für Weltraumforschung zeigten am Freitag und Samstag rund 2.000 neue Brandherde allein im Amazonasbecken – und das, obwohl Präsident Jair Bolsonaro [1][am Donnerstag per Dekret das Abbrennen von Flächen verboten hat].

Angesichts der Brände und Rodungen hat nun Finnland ein Einfuhrverbot für Rindfleisch und Soja aus Brasilien in die EU ins Gespräch gebracht. „Es ist höchste Zeit, dass die EU aktiv wird“, fordert der finnische Finanzminister Mika Lintilä. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Antti Rinne erklärte, bereits in Kontakt mit der EU-Kommission zu stehen, um über koordinierte Maßnahmen zu sprechen. Denn ein Alleingang Finnlands könnte rechtlich problematisch werden.

Finnlands Wort hat in der Sache Gewicht: Die Regierung hat derzeit den [2][halbjährlich wechselnden Vorsitz im EU-Rat] inne. Finanzminister Lintilä kündigte an, als Vorsitzender des EU-Wirtschafts- und Finanzrats wolle er das Thema eines Importstopps beim Ecofin-Treffen am 13. und 14. September in Helsinki erörtern.

Die Notwendigkeit für einen Importstopp brauche man eigentlich gar nicht zu diskutieren, sagt Lintilä. Von Finnlands WählerInnen, für die das Klimathema bei den Parlamentswahlen im Frühjahr wichtigstes Kriterium für ihre Stimmabgabe gewesen sei, habe die Regierung den Auftrag für eine ehrgeizige Klimapolitik erhalten.

Finnland bis 2035 „klimaneutral“

Die Koalition habe sich deshalb in ihrem Regierungsprogramm verpflichtet, das Land bis 2035 „klimaneutral“ machen zu wollen. Als Finanzminister habe er eine zentrale Rolle, auf dieses Ziel mithilfe entsprechender Instrumente, wie einer CO2-Bepreisung oder der Finanzplanung für öffentliche Investitionen hinzuwirken. Doch alle solche Bemühungen drohten „unter dem Strich wirkungslos zu bleiben, wenn woanders gleichzeitig Kohlenstoffsenken systematisch zerstört werden“.

In der aus fünf Parteien bestehenden Koalition aus Sozialdemokraten, Linken, Grünen und Liberalen gehört der Finanzminister der rechtsliberalen Zentrumspartei an. Landwirtschaftsminister Jari Leppä, ebenfalls Mitglied der Zentrumspartei, ergänzte den Vorstoß seines Kabinettskollegen noch: Unabhängig von der Haltung der EU habe auf dem finnischen Markt Rindfleisch aus Brasilien nichts mehr zu suchen, „wir müssen endlich von Worten zu Taten kommen“, fordert Leppä: Supermärkte und Restaurants „sollen solches Fleisch boykottieren“.

Und Leppä geht einen Schritt weiter. Weil für die brasilianische Agrarindustrie der Anbau von Soja als Tierfutter ein entscheidender Grund für das Abholzen des Regenwalds sei, müssten möglichst auch diese Importe gestoppt werden. „Mit dem Sojaimport sind weder unsere Nachhaltigkeitsziele noch unser Wunsch, bis 2035 klimaneutral werden zu können, zu vereinbaren.“

Laut Leppä stünden als heimische Proteinfuttermittel beispielsweise Ackerbohne und Raps zur Verfügung. Wolle sich das Land ganz frei von Sojaimporten aus Brasilien und den USA machen, müssten für solche Alternativen die Anbauflächen von bislang 22.000 auf rund 80.000 Hektar erweitert werden. Das sei realistisch und entspreche dann einem Anteil von 4 Prozent des finnischen Ackerlands.

Die Entwicklung weg vom Soja ist in Finnland bereits im Gange, Leppä will Anreize für eine weitere Umstellung schaffen. Importsoja wird derzeit vor allem noch in der Geflügelzucht verwendet, sein Futteranteil liegt dort bei rund 15 Prozent. Der finnische Lebensmittelkonzern Atria hat sich bereits verpflichtet, ab 2020 nur noch sojafreies Schweinefleisch und ab 2022 auch entsprechendes Geflügelfleisch im Angebot zu haben.

Die EU müsse nun schnell handeln, forderte Jari Luukkonen von der Umweltschutzorganisation WWF. Die finnische Handelskammer warnt dagegen vor übereilten Schritten. Erst müsse das [3][EU-Mercosur-Abkommen] ratifiziert werden. Ein anschließendes Importverbot würde die brasilianische Regierung viel empfindlicher treffen.

1 Sep 2019

LINKS

[1] /Waldbraende-in-Brasilien/!5620288
[2] https://eu2019.fi/de/startseite
[3] /EU-Mercosur-Pakt/!5621938

AUTOREN

Reinhard Wolff

TAGS

Jair Bolsonaro
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Amazonas
Mercosur
Brake
Mercosur
Amazonas
Jair Bolsonaro
Brasilien
Wir retten die Welt

ARTIKEL ZUM THEMA

Freihandelsabkommen EU/Mercosur: Auch Deutschland soll aussteigen

Österreich will den Pakt der EU mit dem Mercosur auf Eis legen. Grüne und Linke fordern, dass auch Deutschland Nein zu dem Abkommen sagt.

Klimastreik im Norden: Bauern besetzen Hafen in Brake

Landwirte blockieren den größten Futtermittelhafen Deutschlands. Damit protestieren sie gegen klimafeindliche Fleischimporte.

EU-Mercosur-Freihandelsabkommen: Pakt soll Sanktionen vorsehen

Die Bundesregierung räumt ein, dass der Mercosur-Vertrag keine Maßnahmen etwa gegen Brandrodungen vorsieht. Die EU soll mögliche Strafen prüfen.

Gipeltreffen zum Schutz des Amazonas: Pakt ohne Player

Sieben von neun Ländern bekennen sich zum gemeinsamen Schutz des Amazonas. Bolsonaro ist nicht dabei. Er sorgt sich vor allem um seine Souveränität.

Biologin über Amazonasbrände: „Unser Verbrauch ist zu hoch“

Den eigenen Lebensstil im Auge behalten: Warum Europas Ratschläge für den Schutz des Amazonas unglaubwürdig sind, erklärt die Biologin Jutta Kill.

Waldbrände im Amazonasgebiet: Brasilien pocht auf seine Hoheit

Brasiliens Präsident Bolsonaro hat nach einem Telefonat mit Kanzlerin Merkel seine Sicht der Dinge dargelegt. In Berlin gibt es Ideen für neuen Druck.

Brennende Amazonas-Wälder: Die Vernunft der Brandstifter

Alle schimpfen über den Feuerteufel Bolsonaro. Aber solange wir unser Agrarsystem nicht ändern, ist es logisch, den Amazonas niederzubrennen.