taz.de -- Großer Zapfenstreich für von der Leyen: Der Wind dreht nicht

Mit großem Tamtam wurde Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen von der Bundeswehr verabschiedet. Ein Scorpions-Hit tönte mit.
Bild: Zeremoniell am Verteidigungsministerium: Ursula von der Leyen wird aus dem Amt verabschiedet

Berlin taz | Bei Vollmond passieren zuweilen seltsame Dinge, erzählt man sich. Menschen berichten von Schlafproblemen, es soll in Vollmondnächten zu mehr Verbrechen kommen und der Werwolf treibt ebenfalls sein Unwesen. Und dann haben wir da noch die Bundeswehrsoldaten, die den Wende-Hit „Wind of Change“ schmettern sollen – ja, das ist doch wahrlich ein seltsames Ereignis. Genau dafür hat sich in dieser August-Vollmondnacht aber die Crème de la Crème aus deutscher Politik und Armee im Berliner Bendlerblock eingefunden. Und Ursula von der Leyen soll nebenbei auch noch als ehemalige Verteidigungsministerin aus dem Amt verabschiedet werden.

Der Große Zapfenstreich, wie sich jenes Ereignis nennt, ist das „höchste Zeremionell der Bundeswehr“ und soll BundeskanzlerInnen, -präsidentInnen und VerteidigungsministerInnen den musikalisch-militärischen Abschied bescheren. So denn auch von der Leyen, die auf den [1][Posten der EU-Kommissionspräsidentin] in Brüssel wechselt – und damit nicht nur ihr Amt im Kabinett aufgibt, sondern auch [2][die Berateraffäre im Verteidigungsministerium] hinter sich lässt.

Zusammen mit [3][ihrer Amtsnachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer] und Bundeswehr-Generalinspektor Eberhard Zorn betritt sie um 21.45 Uhr den Innenhof des Verteidigungsministeriums. Der dunkle Platz wird nur erleuchtet von der mit Ehrengästen vollgestopften Tribüne und den MatrosInnen, die bereits seit 20 Minuten regungslos Fackeln in die Luft strecken und das auch noch den ganzen Abend tun werden. Mit fidelem Waldmarsch trottet aus der Ferne ein Trupp SoldatInnen samt Marschkapelle auf den Platz. Begleitet wird der Tross von den Kameras der livesendenden ARD und flankierenden FackelträgerInnen.

Nachdem sich die Formation in der Mitte des Platzes stationiert, erhält Ursula von der Leyen eine Urkunde. Nach einem kurzen Intermezzo der anwesenden Fotojournalisten, die auf das Kommando „Serenade!“ vor das Podest rennen und von der Leyen 20 Sekunden lang in einem Blitzlichtgewitter ertränken, beginnt der musikalische Teil des Zapfenstreichs. Es ist ein langsames, melancholisches Stück, das die Kapelle anstimmt. Dem Dirigenten möchte man anhand seines Gefuchtels fast abkaufen, dass er doch das Royal Philharmonic Orchestra vor sich hat. Nach dem langsamen ersten Stück soll das Publikum mit dem fetzigen zweiten Lied aus der Reserve geholt werden. Ein einzelner Trompeter tritt aus dem Orchester hervor und gibt sein Bestes, mit dem Blasinstrument Klaus Meines Pfeifen aus „Wind of Change“ zu imitieren.

Der Scorpions-Song von 1990 war ein Wunsch von der Leyens – scheint es doch seit zu Guttenbergs Abgang mit „Smoke on the Water“ von 2011 die ungeschriebene Regel, die Bundeswehr-Kapelle mit dem Einüben einer Rock-Ballade zu beauftragen. Mit einem Saxofon-Solo wagt sich die Bundeswehr in ihrer Version sogar an eine Improvisation heran – der Applaus, den diese Performance verdient hätte, er bleibt aus.

Das Publikum kommt erst bei der „Ode an die Freude“, ebenfalls ein Wunschsong, in Fahrt und erhebt sich aus seinen Stühlen. Seit von der Leyen designierte EU-Kommissionspräsidentin ist, muss man sich hierzulande also auch zur Europa-Hymne erheben. Besser wurde die Stimmung nur noch bei der deutschen Nationalhymne, in die das Publikum und die Ex-Ministerin sogar einstimmen. Nachdem die Truppe abzieht, gibt es dann doch noch Applaus. Von der Leyen verabschiedet sich mit Umarmungen, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wird schwesterlich gedrückt. Dann lässt sich die 60-Jährige samt ihren Kindern in schwarzen Vans und mit Motorrad-Eskorte Richtung Zukunft Brüssel chauffieren. Ob der Wind dreht oder nicht, vermochte diese Vollmondnacht nicht zu beantworten.

16 Aug 2019

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AUTOREN

David Rutschmann

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