taz.de -- Übergangsregierung im Sudan: Ein langer, kurviger Weg

Militär und zivile Opposition machen den Weg für eine Übergangsregierung frei. Auf den Straßen feiern die Menschen. Aber es gibt auch Skepsis.
Bild: Auf den Straßen Khartums wurde gefeiert

Nairobi taz | Nach monatelangen Protesten und Verhandlungen müssen die Putschisten aus dem Militär und die oppositionelle Demokratiebewegung im Sudan jetzt richtig an die Arbeit, um das steuerlose Land auf Kurs zu bringen. Am Samstag wurden in Anwesenheit von Regierungschefs aus der Region [1][alle Vereinbarungen für eine gemeinsame Übergangsregierung ratifiziert]. Auf den Straßen wurde gefeiert, aber die Freude war etwas gedämpft.

Im April hatte Sudans Armee den autoritär herrschenden Staatschef Omar Hassan al-Bashir [2][nach dreißig Jahren an der Macht gestürzt]. Schon seit Ende 2018 hatten Demonstranten im ganzen Land seinen Rücktritt gefordert. Ihre Hoffnung auf den Übergang zu einer zivilen Regierung wurden niedergeschlagen, als die hochrangigen Militärs einen Regierungsrat bildeten und die Macht nicht aufgeben zu wollen schienen. Erst nach starkem Druck aus dem Ausland nahmen sie am Verhandlungstisch Platz, um einen Kompromiss mit den Forces of Freedom and Change (FCC), der wichtigsten zivilen Oppositionskoalition, zu erzielen.

Der katholische Bischof Yunan Andali von El Obeid, einer Stadt, in der im vergangenen Monat sechs protestierende Studenten von einer paramilitärischen Gruppe erschossen wurden, misstraut insbesondere weiter dem Militär. „Die Situation ist so fragil, die Zukunft so ungewiss. Dies ist ein Land mit einer langen Geschichte von Staatsstreichen. Hier ist alles möglich.“

Die Studentin Amani Razik aus der Hauptstadt Khartum hofft nun, dass sie sich nach Monaten der Demonstrationen jetzt wieder ganz ihrem Studium widmen kann. „Wir müssen dieses Land aus der Misere holen. Das ist nur möglich, wenn wir gemeinsam an die Arbeit gehen“, sagt Razik.

Die FCC setzt auf den Ökonomen Abdalla Hamdok als Premierminister. Die Regierung wird aus Zivilisten bestehen, mit Ausnahme der Verteidigungs- und Innenministerien, in denen Militärangehörige die Oberhand haben werden. Mit der Wahl von Hamdok, der unter anderem für die Afrikanische Entwicklungsbank gearbeitet hat, scheint die FCC sich auf die wirtschaftliche Erholung des Landes konzentrieren zu wollen.

Die Einheit innerhalb der FCC bröckelt

Der zivile Aufstand gegen al-Bashir begann im vergangenen Dezember, nachdem die Preise für Brot und Benzin erhöht worden waren. Aufgrund der Demos und Streiks in den letzten neun Monaten kam die wirtschaftliche Entwicklung fast zum Stillstand. Darüber hinaus verfolgte der Militärrat nicht wirklich eine Politik des wirtschaftlichen Aufschwungs.

Die Ernennung von Hamdok muss noch vom sogenannten souveränen Rat genehmigt werden, der zur höchsten Macht des Landes wird. Das Gremium wird fünf Zivilisten und fünf Militärs umfassen, die einvernehmlich ein elftes Mitglied ernennen müssen. Bis alle Kandidaten für Rat, Regierung und Parlament ernannt worden sind, dürfte es turbulent bleiben. Innerhalb der Armee gibt es Rivalitäten zwischen den verschiedenen Abteilungen, die al-Bashir im Sinne einer Teile-und-herrsche-Taktik so aufgestellt hatte, dass ihm keine zu mächtig und zur Bedrohung werden konnte. Die Frage ist, welche dieser Divisionen nun im souveränen Rat vertreten sein wird.

Aber auch die Einheit innerhalb der FCC bröckelt. Das gemeinsame Streben nach einer zivilen Regierung ist teilweise verwirklicht worden – aber jetzt, wo es um die Postenverteilung geht, werden die Spaltungen deutlich. Dabei scheint es Brüche zu geben zwischen den zumeist intellektuellen Führern des Bürgeraufstands in Khartum und den Regionen im Sudan, die sich nicht ausreichend vertreten fühlen.

„Wir haben so lange auf die Änderung gewartet, und viele glauben, dass sich mit den Abkommen alles innerhalb eine Woche zum Positiven ändert“, sagt Professor Mohamed Almustafa, Mitglied der FCC. „Aber es liegt noch ein langer und kurviger Weg vor uns.“

19 Aug 2019

LINKS

[1] /Machtteilung-im-Sudan/!5618702
[2] /Militaer-und-Opposition-im-Sudan/!5615262

AUTOREN

Ilona Eveleens

TAGS

Sudan
Khartum
Omar al-Bashir
Sudan
Sudan
Sudan
Sudan
Sudan
Sudan
Sudan
Sudan

ARTIKEL ZUM THEMA

Rücktritt im Sudan: Militär lässt die Maske fallen

Der faktisch machtlose zivile Premierminister tritt ab und warnt vor einer „Katastrophe“, die Sudans „Überleben bedroht“. Nun regiert das Militär allein.

Ein Jahr nach Beginn der Massenproteste: Sudans Frauen können stolz sein

Die Sudanesen freuen sich, dass ihre vor einem Jahr begonnenen Massenproteste teilweise Erfolg hatten. Aber sie kämpfen noch mit der Wirtschaftskrise.

Friedensprozess im Sudan: Neuer Pakt für Frieden

Übergangsregierung und Rebellen haben eine erste Vereinbarung geschlossen. Hilfsorganisationen sollen wieder Zugang zum Land bekommen.

Sudan im Wandel: Schwieriger Weg zur Demokratie

Ein elfköpfiger Rat nimmt seine Arbeit auf und soll den Sudan in die Post-Baschir-Ära führen. Doch werden die Militärs tatsächlich die Macht abgeben?

Prozess gegen Omar Al-Bashir: Sudans Diktator im Gitterkäfig

Vier Monate nach seinem Sturz steht Omar al-Bashir vor Gericht. Statt um Menschenrechtsverbrechen geht es erst mal aber nur um Korruption.

Machtteilung im Sudan: Abkommen für drei Jahre

Im Sudan haben Militär und Opposition ein Abkommen zur Machtteilung unterzeichnet. Eine neue Regierung kann bald mit der Arbeit starten.

Einigung im Sudan: Finaler Durchbruch, hoffentlich

Nach mehreren Anläufen steht jetzt endlich die Vereinbarung über eine zivile Übergangsregierung bis zu freien Wahlen im Sudan. Es wird gefeiert.

Militär und Opposition im Sudan: Bahn frei für eine neue Verfassung

Seit im Sudan der Diktator Omar al-Baschir gestürzt wurde, ringen Militär und Demokratiebewegung um die Macht. Trotz Gewalt gibt es nun eine Einigung.