taz.de -- Thriller „Anna“ von Luc Besson: Töten ist ein hässlicher Job
Anna ist Model und Geheimagentin des KGB: Luc Bessons Thriller „Anna“ will ganz Oberfläche sein. Das gelingt ihm überraschend gut.
Anna will ein besseres Leben. Kann man verstehen. Ihr „Freund“ hat sie zum Junkie gemacht, versucht sich so mittelgut als Kleinkrimineller, und wenn er seine Brust entblößt, offenbart er ein Tattoo mit dem Schriftzug „Gott mit uns“, wie er auch die Koppelschlösser der Wehrmacht zierte. Mit Anna haust der Typ in einem Drecksloch irgendwo in Moskau. Als sich ihr eine neue Berufsperspektive eröffnet, ist das allemal ein willkommenes Angebot.
Wenn „Anna“, der jüngste Film von Luc Besson, diesen Teil der Geschichte von Anna erzählt, steckt man schon in einer der diversen Rück- und Vorblenden, mit denen der französische Regisseur seinen Thriller – seit einer Weile schon das von ihm bevorzugte Genre – erzählt. Zuvor hatte man Anna im Jahr 1990 gesehen, wie sie auf einem Moskauer Markt als Model entdeckt, nach Paris verfrachtet und von einem Fotoshooting zum nächsten geschickt wird. Mit der Karriere scheint es für sie blendend zu laufen. In der WG-Modelkollegin Maud findet sie dann auch gleich ihre Freundin. Sogar für das Liebesglück ist gesorgt.
Dass Anna kein Model ist wie ihre Mitstreiterinnen, zeigt sich bei einem Treffen mit einem russischen Handelspartner der Modelagentur. Sie hat ein Verhältnis mit ihm, besucht ihn im Hotel. Er vertraut ihr an, dass er auch Waffengeschäfte mit Diktaturen betreibt. Sie verabschiedet sich kurz ins Bad. Als sie zurückkommt, hält sie eine Pistole mit Schalldämpfer in der Hand, von der sie sogleich Gebrauch macht.
Anna verfolgt mithin eine Doppelkarriere als Model einerseits und als Geheimagentin des KGB andererseits. Gespielt wird Anna von Sasha Luss, die ihrerseits zugleich Model und Schauspielerin ist. Den Modelpart nimmt man ihr in jeder Szene ab. Was zunehmend ein Problem des Films wird. Denn Luss setzt in ihrem Spiel Undurchsichtigkeit mit Ausdruckslosigkeit gleich, was ihre Agentin auf eine reine Pokerface-Oberfläche reduziert. Von ihr als Figur erfährt man abgesehen von ihrer Fähigkeit zum effizienten Töten – Anna ist eine Art Kampfmaschine nach dem Vorbild Lara Crofts – und der wachsenden Unzufriedenheit mit diesem Berufsalltag eher nicht so viel.
Glatt inszenierte Bilder
Auch die anderen Figuren bleiben weitgehend eindimensional-flächig. Etwa ihr CIA-Gegenspieler Lenny Miller, den der irische Darsteller Cillian Murphy ähnlich ausdruckslos gibt wie Luss und der sein Talent zu eisiger Arroganz, das er in der britischen Serie „Peaky Blinders“ großzügig zur Schau stellen konnte, hier eher unter Wert zum Einsatz bringt. Einzig Helen Mirren ist es als Annas KGB-Vorgesetzte Olga gestattet, Ansätze von Profil zu entwickeln. Dafür muss sie aber eine alberne eckige Brille tragen.
Luc Besson kann sehr cool inszenieren. „Nikita“ von 1990 war in vieler Hinsicht der gleiche Film wie „Anna“ – drogensüchtige Frau wird zur Killerin ausgebildet –, hatte aber, wie auch „Léon – Der Profi“ (1994), mehr Stil zu bieten als bloß glatt inszenierte Bilder.
Und er hatte Protagonisten, denen man, bei aller Fremdartigkeit ihrer Lebensentwürfe, irgendwie auch nahekam. In „Anna“ gleitet man an allem ab, am artifiziellen Licht, den selbst mit Verletzungen noch makellos erscheinenden Gesichtern, den anonymen Hotel- und Geheimdienstzimmern.
Flott choreografierte Action ist einer der optischen Reize, mit denen „Anna“ aufwartet, insbesondere eine Restaurantszene, in der auch Teller als nahkampftaugliche Waffen zum Einsatz kommen. Bei zwei Stunden Laufzeit genügen diese zynisch dargebotenen Tötungsballette jedoch nicht, um den Film zu tragen.
Am Ende bleibt offen, welches Schicksal Anna ereilen wird. Das ist einem bis dahin allerdings längst egal geworden.
18 Jul 2019
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