taz.de -- Selbstverpflichtung Deutsche Wohnen: Mieten selbst begrenzen

Der Immobilienkonzern veröffentlichte eine freiwillige Selbstverpflichtung. Damit antwortet er auf den Mietendeckel des Berliner Senats.
Bild: Schön, dieses Berlin – aber mittlerweile auch teuer

Berlin taz | Auf den Beschluss des Berliner Senats [1][für einen landeseigenen Mietendeckel] hat die Deutsche Wohnen mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung geantwortet. Der Immobilienkonzern will künftig auf Mieterhöhungen verzichten, wenn Mieter nach einer solchen Erhöhung mehr als 30 Prozent ihres jährlichen Haushaltsnettoeinkommens für die Nettokaltmiete zahlen müssten.

Mieterhöhungen nach Modernisierungen sollen unterbleiben, wenn die Jahresbruttowarmmiete danach mehr als 30 Prozent des Nettoeinkommens der Mieter übersteigt. Die Mieten für Hartz-IV-Empfänger sollen nach Modernisierung nur so weit erhöht werden, dass die Kosten von den Jobcentern noch getragen werden.

Die Selbstverpflichtung, die die Deutsche Wohnen unter dem Titel [2][„Unser Versprechen an unser Mieter“] am Samstag auf ihrer Homepage veröffentlichte, kommt nur vier Tage nach dem Senatsbeschluss für eine landeseigenen Mietendeckel. Demnach sollen die Mieten im Land Berlin für fünf Jahre eingefroren werden. Das Gesetz muss allerdings noch erarbeitet und vom Abgeordnetenhaus verabschiedet werden.

Es soll im Januar 2020 in Kraft treten. Auch [3][ein Volksbegehren], das die Deutsche Wohnen und alle anderen Unternehmen, die mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin besitzen, enteignen will, macht der Deutsche Wohnen zu schaffen. In der ersten Stufe hatten Aktivisten 77.000 Unterschriften gesammelt, 20.000 waren notwendig. Nun prüft der Berliner Senat die Rechtmäßigkeit des Begehrens. Linkspartei und Grüne unterstützen das Begehren, die SPD hat noch nicht abschließend entschieden.

Zwietracht in der rot-rot-grünen Koalition

Die Deutsche Wohnen zielt mit ihrer Selbstverpflichtung auch darauf, das Gesetzgebungsverfahren zum Mietendeckel zu beeinflussen. Dies machte der Vorstandsvorsitzende der Deutsche Wohnen, Michael Zahn, in einem am Samstag erschienenen Interview im Tagesspiegel deutlich. „Der Regierende Bürgermeister, Michael Müller, wird an einer Lösung der Wohnungsfrage interessiert sein“, sagte Zahn.

„Deshalb schlage ich vor, dass er einen Berliner Wohngipfel einberuft und dort die Vorschläge der unterschiedlichen Beteiligten auf den Tisch kommen, diskutiert werden und wenn nötig und juristisch möglich in ein Landesgesetz einfließen, das alle bürgerlichen Parteien der Stadt, also auch die Grünen, tragen können.“ Der jetzige Mietendeckel bringe dagegen „eher Chaos und sät Zwietracht“.

Zahns Vorschlag setzt stattdessen auf Zwietracht in der rot-rot-grünen Koalition. Eine Lösung mit allen „bürgerlichen Parteien“ bedeutet offenkundig eine ohne die Linkspartei, die mit Katrin Lompscher die Stadtentwicklungssenatorin stellt. In Teilen der SPD ist der Mietendeckel, den die Sozialdemokraten selbst ins Spiel gebracht hatten, umstritten, weil damit auch landeseigene Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften die Mieten nicht mehr erhöhen dürfen. Der Vorsitzende des Fachausschusses Soziale Stadt der Berliner SPD, Volker Härtig, sieht dadurch die Finanzierung des Neubaus durch die landeseigenen Gesellschaften gefährdet.

Katrin Schmidberger, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, bezeichnete die freiwillige Selbstverpflichtung der Deutsche Wohnen auf Twitter als „vergiftetes Angebot“. Der Konzern wolle „damit die Einführung des Mietendeckels torpedieren“. Die Selbstverpflichtung „dürfte in vielen Fällen auch mit realen Mietsteigerungen verbunden sein“, so Schmidberger. Vor dem von Zahn vorgeschlagenen Wohngipfel solle der Regierende Bürgermeister „die mietenpolitischen Initiativen einladen, um gemeinsames Vorgehen zu vereinbaren“.

23 Jun 2019

LINKS

[1] /Kommentar-Mietendeckel-in-Berlin/!5604401
[2] https://www.deutsche-wohnen.com/ueber-uns/unternehmen/aktuelles/unser-versprechen-an-unsere-mieter/
[3] /Volksbegehren-zur-Deutsche-Wohnen/!5600293

AUTOREN

Martin Reeh

TAGS

Mietendeckel
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Deutsche Wohnen
Berliner Senat
R2G Berlin
Peter Tschentscher
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin

ARTIKEL ZUM THEMA

Vorstand Wohnraumversorgung Berlin: Vorwärts in die Vergangenheit

Finanzsenator Kollatz will mit Volker Härtig eine pikante Personalentscheidung durchdrücken. Koalitionspartner und Mieterinis sind entsetzt.

Streit um Mietobergrenzen: SPD-Politiker gegen Deckel

Im Wahlkampf 2018 forderte Andrea Nahles eine radikale Mietenbremse. Hamburgs Bürgermeister will davon nichts mehr wissen.

Wohnen in Berlin: Preise für Bauland explodieren

Der Mietenanstieg bleibt aber unterhalb der Einkommensentwicklung. Der BBU will deshalb den Mietendeckel nachverhandeln.

Neue Volksinitiative: Alternative zur Enteignung

Der Verein „Neue Wege für Berlin“ startet eine Volksinitiative zum Bau von 100.000 Wohnungen. Dahinter stecken altbekannte Akteure aus CDU und SPD.

Tag der Immobilienwirtschaft: Angst ums eigene Image

In Berlin lädt die Immobilienlobby zur Tagung. Ihre Vertreter geben sich kurz selbstkritisch – schalten dann aber wieder auf Angriff.

Stadt und Land: An den Mieten wird nicht gerüttelt

Wegen des geplanten Mietendeckels verzichtet die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft auf Mieterhöhungen. Kritik am Senat

Senat beschließt Mietendeckel: Jetzt ist Zeit für Detailfragen

Der Mietendeckel ist beschlossen, der Kampf um ihn aber nicht abgeschlossen. Ein Blick in die Vergangenheit und in die Zukunft. Ein Wochenkommentar.

Kommentar Mietendeckel in Berlin: Der überfällige Griff zur Notbremse

Trotz handwerklicher Fehler ist der Mietenstopp des Berliner Senats der erste richtige Schritt. Jetzt müssen weitere folgen.

Hauptversammlung Deutsche Wohnen: Aktionäre haben Angst

Der Vorstand des Immobilienkonzerns versucht, die Sorgen wegen Mietendeckel und Enteignung zu zerstreuen. So ganz klappt das aber nicht.