taz.de -- Plakate von „Der Dritte Weg“: Lichtenberg klagt gegen Nazi-Partei
Bürgermeister Grunst will die „Volksverräter“-Plakate des „Dritten Weges“ über eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung loswerden.
Berlin taz | Lichtenbergs Bürgermeister Michael Grunst (Linke) hat am Freitag Strafanzeige gegen die rechte Splitterpartei „Der Dritte Weg“ wegen derer Wahlplakate erstattet. Die Staatsanwaltschaft soll die strafrechtliche Relevanz prüfen, sagte Grunst der taz.
In der vergangenen Woche war das [1][beanstandete Plakat] der Rechtsextremisten zunächst nahe beim S-Bahnhof Lichtenberg aufgetaucht. Zu sehen sind Gitterstäbe einer Gefängniszelle, dazu der Satz: „Reserviert für Volksverräter“. Das Plakat liest sich wie ein Aufruf, „Volksverräter“ – ein im Dritten Reich gängiger Begriff – an Laternenmasten aufzuhängen. Inzwischen hängt dieses Plakat in großen Teilen Lichtenbergs, jeweils ganz oben an Laternen, etwa am Tierpark und in der Weitlingstraße. Am S-Bahnhof Hohenschönhausen dominiert das Motiv gemeinsam mit Wahlplakaten anderer rechtsextremer Splitterparteien und der AfD die Wahlwerbung.
„Lichtenbergerinnen und Lichtenberger haben uns in den letzten Tagen immer wieder auf die Plakate des Dritten Wegs aufmerksam gemacht“, so Grunst, der aber einräumt: „Trotz der nicht hinnehmbaren Inhalte fehlt dem Bezirksamt leider die Handhabe.“ Das heißt: Der Bezirk sieht sich rechtlich nicht in der Lage, die Wahlplakate wegen der Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung abzuhängen und als Beweismittel einzulagern. Dies hatte die Stadt Chemnitz getan.
Auch München hat ein Bußgeldverfahren wegen dieses Plakats eingeleitet. Allerdings, weil es am Platz für die Opfer des Nationalsozialismus hing. Das NS-Dokumentationszentrum in München verfügte als Reaktion darauf bis zu den Europawahlen Ende Mai freien Eintritt, weil „die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit wichtiger denn je“ sei.
Andere betroffene Kommunen in Sachsen und Bayern teilen die Auffassung von Lichtenberg, wonach das Ordnungsamt hier nicht selbstständig tätig werden darf. Behörden sind hohe juristische Hürden gesetzt, um auf Wahlkampfmittel Einfluss zu nehmen.
Schutz durch Zweideutigkeit
Nun solle die Staatsanwaltschaft laut Grunst prüfen, ob der Straftatbestand der Volksverhetzung gegeben ist. „Der Slogan des Plakats knüpft an den von den Nationalsozialisten eingeführten Straftatbestand des Volksverrats an. Bei einigen Betrachtern weckt das Plakat auch Assoziationen mit dem Aufhängen von ‚Volksverrätern‘ an Laternenpfählen in den letzten Tagen der nationalsozialistischen Willkürherrschaft“, so Grunst.
Ein Erfolg des Ermittlungsverfahrens sei aufgrund der Mehrdeutigkeit des Motivs jedoch keineswegs sicher. „Dem Plakat ist nicht mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, dass zum Hass gegen Bevölkerungsteile aufgestachelt oder gar zu Gewalttaten aufgefordert wird, auch wenn die Assoziationen mit der NS-Willkürherrschaft wahrscheinlich gewollt sind“, so Grunst. Eine mehrdeutige Äußerung sei aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nur strafbar, „wenn andere Auslegungsvarianten, die nicht zu einer Strafbarkeit führen, mit nachvollziehbaren Gründen ausgeschlossen werden können“.
28 Apr 2019
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