taz.de -- Jurist über Mietendeckel: „Mieterhöhungen wären verboten“

Wie ein Mietendeckel à la SPD funktionieren könnte, erläutert der Jurist Markus Artz. Teure neue Verträge würden sogar billiger.
Bild: Das Thema Mieten bewegt Berlin: Auf der #Mietenwahnsinn-Demonstration am 6. April

taz: Herr Artz, stark steigende Wohnungskosten sind ein Problem in vielen Städten. Einen sogenannten Mietendeckel könnte das Land Berlin einführen, haben Sie nun in Ihrem Gutachten für die SPD-Fraktion der Hauptstadt erläutert. Was würde das für die Mieter*innen bringen?

Markus Artz: Bei laufenden Verträgen wäre es für einige Jahre verboten, die Wohnungskosten zu erhöhen. Wenn Wohnungen neu vermietet werden, müssten hohe Mieten aus früheren Mietverträgen in etwa auf das ortsübliche Niveau sinken. Diese Verträge würden also billiger. Aber es sollte auch eine Ausnahme von dieser Regel geben: Immobilienbesitzer, die in ihre Häuser investieren, müssen weiterhin einen Teil der Kosten auf die Mieter umlegen können.

Dies gälte in Berlin flächendeckend?

Ja, für alle Mietverträge in freifinanzierten Wohngebäuden im kompletten Stadtgebiet.

Ließen sich mittels des Deckels die Mieten bei laufenden Verträgen auch um beispielsweise 10 Prozent senken?

Nein. Man sollte davon absehen in der Form in laufende Verträge einzugreifen, dass eine wirksam vereinbarte Miete gesenkt werden muss. Die Auswirkungen des Mietendeckels müssen vor dem Hintergrund des enormen Eingriffs in das Eigentum des Vermieters stets verhältnismäßig sein.

Wäre das auch in anderen Bundesländern möglich?

Dies hängt unter anderem davon ab, was in der jeweiligen Landesverfassung steht. In Berlin garantiert der Artikel 28 das Recht auf Wohnraum. Darauf stützt sich unser Vorschlag des Mietendeckels. In Hessen und Hamburg wird diskutiert, ob ein solches Gesetz sinnvoll ist, und wie man dies ermöglichen kann. In Flächenländern allerdings gälte ein solches Gesetz nicht für alle Wohnungen, sondern nur für Städte und Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt. So ist heute bereits die Mietpreisbremse geregelt.

Diese hat der Bund eingeführt, wobei sie nicht richtig funktioniert. Liegt ein schwerwiegender Eingriff wie der Mietpreisdeckel überhaupt in der Kompetenz der Länder?

In unserem Gutachten vertreten mein Kollege Franz Mayer und ich die Auffassung, dass es keine ausschließliche Kompetenz des Bundes für das Mietpreisrecht gibt. Ganz im Gegenteil liegt die primäre Regelungskompetenz bei den Ländern. Wenn der Bund nicht umfassend handelt, und das tut er in diesem Fall nicht, können die Länder agieren.

Mieterhöhungen zu untersagen, beschränkt die Verfügungsgewalt der Immobilienbesitzer über ihr Eigentum. Ihr Gewinn würde beschnitten. Ist das rechtlich zulässig?

Das ist kein Problem. Die Begrenzung ist ja heute bereits ein Bestandteil des Mietrechts. Zum Beispiel dürfen Vermieter in angespannten Wohnungsmärkten die Mieten nur um 15 Prozent innerhalb von drei Jahren anheben. Der Mietendeckel stellt lediglich eine strengere Begrenzung dar.

Die Berliner SPD sieht darin auch eine Alternative zur umstrittenen Enteignung großer Wohnungsunternehmen, die momentan gefordert wird. Könnten sich beide Ansätze ergänzen?

Die beiden Maßnahmen setzen an völlig unterschiedlichen Punkten an. Der Mietendeckel betrifft zum Beispiel alle Wohnungsvermieter, auch kleinere. Ich halte ihn für das geeignete Instrument, die Wohnungskosten in der gegenwärtigen Lage wirksam zu regulieren, ohne so dramatisch in das Eigentum einzugreifen. Das Volksbegehren zur Enteignung der großen Wohnungsunternehmen zielt dagegen nur auf einen kleinen Teil des Markts.

19 Apr 2019

AUTOREN

Hannes Koch

TAGS

Mietendeckel
Mieten
Enteignung
Katrin Lompscher
Katrin Lompscher
Mieten
Mieten Hamburg
Berlin-Wedding
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Katrin Lompscher
Mietendeckel

ARTIKEL ZUM THEMA

Mietendeckel in Berlin: Der beste aller Deckel

Per Gesetz sollen die Mieten in Berlin ab 2020 für fünf Jahre eingefroren werden. Zusätzlich soll auch eine Mietobergrenze definiert werden.

Mietendeckel in Berlin: Noch lange kein Deckel drauf

Ein Mietendeckel kann vieles heißen: Stopp, Obergrenze, gültig bei Neubau oder nicht. Rot-Rot-Grün will einen scharfen Deckel, die Verwaltung schießt quer.

Barley will Mietpreisbremse verschärfen: 300 Euro Miete zurückholen

SPD-Justizministerin Katarina Barley will die Mietpreisbremse weiter anziehen. Die Änderungen sollen auch rückwirkend gelten.

Mit-Organisator über den Mieten-Move: „Druck erhöhen lohnt sich“

Steffen Jörg von der Vorbereitungsgruppe des Mieten-Moves über den Hamburger Wohnungsmarkt und die Untätigkeit des rot-grünen Senats.

Walpurgisnacht in Berlin: Gegen Profite mit Miete

Am Vorabend des 1. Mai demonstrierten tausende Menschen in Berlin. Neben Rassismus und Überwachung ging es vor allem um Wohnungsnot.

Streit um Enteignungen: Venceremos, Markus!

Markus Söder wettert gegen „sozialistische Ideen“ in der Wohnungspolitik. Braucht es mehr Gründe, um endlich über Enteignungen nachzudenken?

Berliner Grüne: Lompscher aufs Dach gestiegen

Landesparteitag der Grünen fordert Solaranlage auf jedem Neubau in Berlin und kritisiert, dass das beim Schulneubau nicht passiert.

Deutsche-Wohnen-Chef im Interview: „Das wird immer falsch interpretiert“

Das linksalternative Milieu sei ihm nicht völlig fremd, sagt Michael Zahn, Chef der Deutsche Wohnen. Doch fürs Enteignungsvolksbegehren hat er kein Verständnis.