taz.de -- Kolumne Lost in Trans*lation: Träumen von einem freien Leben

In Istanbul akzeptiert das System für trans Personen keine andere Rolle als die Arbeit in der Prostitution. In Amsterdam ist das Leben sicherer.
Bild: Während der Trans Pride Week 2016 demonstrieren LGBT-Personen in Istanbul

Letzte Woche bin ich mit dem Nachtzug nach Amsterdam gefahren. Dort wollte ich mit einer Organisation über meine Pläne sprechen, ein Buch zu schreiben. In meinem ersten Buch will ich erzählen, wie ich als trans Frau in einer männlich dominierten Branche Journalistin geworden bin.

Amsterdam begrüßte mich in all seiner Pracht. Ich habe die Stadt immer sehr gemocht. Manche lieben die Städte, in denen sie eine nie vergessene Liebe erlebt haben, aber meine Liebe zu Amsterdam ist anders. Für mich ist Amsterdam die Hauptstadt der LGBTI-Rechte.

Für LGBTI-Personen ist Amsterdam wohl die sicherste Stadt in Europa. Das liegt nicht nur an den liberalen Gesetzen. Die Menschen dieser Stadt sind derart höflich, freundlich und tolerant, dass Sie hier keine Probleme aufgrund Ihres Geschlechts bekommen werden. Diesen Ruf hat Amsterdam [1][nicht nur wegen der imposanten Pride,] die traditionell jedes Jahr am Kanal stattfindet. Als trans Frau auf der Straße zu spazieren, ohne Blicke und Gelächter zu ernten, ist ein unbeschreibliches Gefühl. Ich kann sogar sagen, dass ich in Amsterdam das Ansehen genieße, das ich in der türkischen Journalismusbranche nie hatte.

In der Menschenmenge am Bahnhof fand ich meine Freundin Petra, die mich abholte. Gemeinsam gingen wir zusammen nach Hoofddorpplein, einem ruhigen Viertel im Süden Amsterdams, das ruhige Straßen und eine einmalige Architektur hat. Petra war eine derjenigen, die mich 2016 zur Amsterdam Pride eingeladen hatten. Wir haben uns auf Twitter kennengelernt. Schnell wurde unsere Bekanntschaft zu einer engen Freundschaft.

Petra ist eine verheiratete trans Frau. Sie lebt mit ihrer Frau Esther ein schönes, glückliches Leben. Beide sind Mitglied der Partei GroenLinks. In den Niederlanden machen trans Frauen in der Regel eine Karriere oder haben zumindest ein geordnetes Leben. Die meisten sind verheiratet oder leben mit ihren Partner*innen zusammen.

Das Leben ihrer Schwestern

Sie haben Glück, denn sie machen sich keine Sorgen um die Zukunft. Was die Rechte von trans Personen angeht, ist Amsterdam allen anderen europäischen Städten einen Schritt voraus. Das freie und sichere Leben, von dem wir trans Personen träumen, ist in den Niederlanden schon heute Realität.

Wohingegen du in Istanbul deinen Körper verkaufen musst, um über die Runden zu kommen. Das System dort akzeptiert keine andere Rolle für trans Frauen. Gegen dieses System kämpfe ich an. Die Journalismusbranche ist immer noch sexistisch. In Amsterdam gibt es übrigens auch trans Frauen, die ein anderes Leben führen: die Frauen, die aus verschiedenen europäischen Ländern kommen und im red-light district ihre Körper verkaufen.

Die Rechte dieser Frauen sind per Gesetz geschützt. Jede hat eine Steuernummer, sie sind in der höchsten Steuerklasse. Auch wenn sie sagen, dass sie diese Arbeit gerne machen, bin ich mir sicher, dass sie viel dafür geben würden, [2][das Leben ihrer holländischen Schwestern zu leben].

12 Apr 2019

LINKS

[1] /Gay-Pride-in-Amsterdam/!5220754
[2] /Debatte-Frauenrealitaeten/!5384528

AUTOREN

Michelle Demishevich

TAGS

Lost in Trans*lation
Prostitution
Istanbul
Schwerpunkt LGBTQIA
Amsterdam
Lost in Trans*lation
Trans-Community
Lost in Trans*lation
Der Hausbesuch
Schwerpunkt Iran
Schwerpunkt Feministischer Kampftag

ARTIKEL ZUM THEMA

Kolumne Lost in Trans*lation: Mein Triumph der Sichtbarkeit

Für mich als türkische trans Journalistin war Eurovision in den letzten Jahren in der Hintergrund getreten. Jetzt habe ich ihn wiederentdeckt.

Schule für trans Kinder in Chile: Lernen ohne Stigma

Mit freiwilligen Lehrer*innen versucht eine Schule für trans Schüler*innen in Chile eine auseinanderdriftende Gesellschaft zusammenzubringen.

Kolumne Lost in Trans*lation: Anrufe, die Panik auslösen

Um sich ein neues Leben aufbauen zu können, musste unsere Autorin ihre Familie in der Türkei verlassen. Die Sorge um sie ist geblieben.

Der Hausbesuch: Vom Kampf mit sich und anderen

Felicia Ewert, trans*Frau, Autorin und Mutter schreibt auf Twitter über ihr Leben – und in ihrem Buch über „geschlechtliche Marginalisierung“.

Rapper über Lyrik, Musik und Repression: „Rumi war meine Inspiration“

Der Rapper Säye Skye war einer der ersten, der im Iran öffentlich über Queerness sprach. 2010, nach der grünen Bewegung, musste er fliehen.

Frauentag in Berlin: „Take back the night“

250 Heteras, Lesben, Trans- und Intersexuelle ziehen am Vorabend des Frauentags zur Bibliothek des Konservatismus.