taz.de -- AfD-Auto in Berlin abgebrannt: Antonio-Stiftung im Visier der Rechten
In Neukölln brannte das Auto eines AfD-Politikers. Tatverdächtig ist ein Ex-Mitarbeiter einer linken Stiftung, die nun von Rechten attackiert wird.
Berlin taz | Die Amadeu-Antonio-Stiftung steht seit Donnerstagabend noch stärker im Zentrum rechter Bedrohungen und Einschüchterungsversuche als zuvor. Zu diesem Zeitpunkt wurde zunächst durch einen Artikel im Berliner Tagesspiegel bekannt, dass es sich bei dem Mann, der im Verdacht steht, das Auto eines AfD-Lokalpolitikers angezündet zu haben, um einen ehemaligen Mitarbeiter der Stiftung handeln soll. Informationen der taz bestätigen dies; der Name des Verdächtigen ist der taz bekannt. Im Jahr 2014 arbeitete er außerdem für Projekte des Vereins für Demokratische Kultur in Berlin.
„Der Tatverdächtige war bis 2016 als freier Autor und auf Honorarbasis für uns tätig“, sagte Robert Lüdecke, Sprecher der [1][Amadeu-Antonio-Stiftung], am Freitag der taz. „Er ist kein aktiver Mitarbeiter, und es bestand in den letzten Jahren auch kein Kontakt zu ihm.“
Seit Bekanntwerden der Nachricht hätten Rechte in sozialen Netzwerken Namen und Fotos von aktuellen Mitarbeitern der Stiftung veröffentlicht und den Eindruck erweckt, dabei handele es sich um den Tatverdächtigen. „Es ist eine riesige Hasswelle, die da bei uns ankommt. Das ohnehin hohe Bedrohungspotenzial hat sich noch einmal deutlich verstärkt“, so Lüdecke. Die Polizei habe aufgrund der Bedrohungslage bereits Kontakt mit der Stiftung aufgenommen.
Zivilbeamte der Berliner Polizei hatten in der Nacht zu Donnerstag nach Polizeiangaben bemerkt, wie drei Männer auf Fahrrädern im Neuköllner Stadtteil Rudow immer wieder um einen Häuserblock gekreist waren. Daraufhin, so ein Polizeisprecher, hätten sie die Männer dabei beobachtet, wie sie sich an einem im Hinterhof geparkten Auto zu schaffen gemacht hätten und anschließend geflohen seien. Der 39-jährige Tatverdächtige [2][sei kurze Zeit später festgenommen] worden; bei der Rückkehr hätten die Beamten gemerkt, dass das Auto in Flammen stehe.
Bei dem Autoinhaber handelt es sich nach taz-Informationen um Tilo P. Er ist Mitglied im Kreisvorstand der AfD. Szenekennern zufolge ist er seit Jahren Teil neonazistischer Strukturen in Neukölln. Bereits 2003 soll er an einem Überfall auf migrantische Jugendliche beteiligt gewesen sein, bei dem diese zum Teil schwer verletzt wurden. Gemeinsam mit dem Neuköllner NPD-Kader Sebastian T. ist P. nach taz-Informationen selbst Tatverdächtiger mehrerer Brandanschläge gegen Andersdenkende. Auch das aktuelle Gutachten des Verfassungsschutz nennt P. als AfD-Mitglied „in neonazistischen Zusammenhängen“.
Serie von wahrscheinlich rechten Brandstiftungen
Insbesondere der Süden Neuköllns wird seit [3][Jahren von einer Serie offenbar rechtsmotivierter Brandanschläge erschüttert]. [4][Recherchen der taz zeigten kürzlich], dass die Sicherheitsbehörden in mindestens einem Fall schon vor dem Anschlag Kenntnis darüber hatten, dass T. und P. das spätere Opfer ausspionierten. Nichtsdestotrotz kann die Berliner Polizei seit Jahren keinerlei Ermittlungserfolge vorweisen. Dass direkt nach einem Brandanschlag ein Tatverdächtiger festgenommen wurde – wie im aktuellen Fall –, hat es bisher noch nicht gegeben.
Der Neuköllner Bezirksbürgermeister hatte kürzlich gemeinsam mit den Betroffenen der rechten Anschlagsserie gefordert, die Generalbundesanwaltschaft müsse die Ermittlungen an sich ziehen, diese lehnt eine Übernahme aber bislang ab.
1 Feb 2019
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
In Neukölln wurde offenbar das Auto eines AfD-Lokalpolitikers angezündet. Dieser ist selbst verdächtig, in Brandstiftungen verwickelt zu sein.
Vor einem Jahr brannten in Neukölln die Autos zweier Linker. Die Behörden hatten Hinweise, dass Neonazis die Taten planten.
Das Bündnis Neukölln engagiert sich seit Jahren gegen Rechts. Nun wurde ihm ein Preisgeld gestrichen. Daran gibt es scharfe Kritik – außer von CDU und AfD.
Eine Anschlagsserie in Neukölln. Immer trifft es Menschen, die sich gegen rechts engagieren. Die Fragen werden lauter, wieso die Polizei nicht von Terror spricht.