taz.de -- Kommentar Gespräche Taliban und USA: Demokratie ist nicht verhandelbar
Chance vertan: Für einen echten Frieden sollte die afghanische Zivilgesellschaft mit am Verhandlungstisch sitzen.
Nach sechs Tagen endete am Wochenende [1][die vierte Runde der Friedensgespräche] zwischen den Taliban und den USA. Es ist das erste Mal seit 9/11, dass die Taliban so lange und ernsthaft mit den USA verhandeln. Optimistisch gesehen, sind diese Gespräche eine großartige Gelegenheit, den 17-jährigen blutigen Krieg in Afghanistan zu beenden. Doch es ist gleichzeitig äußerst besorgniserregend, dass an allen vier Gesprächsrunden kein einziger Vertreter der afghanischen Regierung beteiligt war.
Das Bedürfnis nach Frieden ist in Afghanistan unbeschreiblich groß. Aber für die große Mehrheit ist nur ein Frieden akzeptabel, bei dem die Errungenschaften der Jahre nach der Talibanherrschaft nicht untergraben werden. Ein Frieden mit Würde, der eine Rückkehr in das Grauen unmöglich macht.
Die Afghanen haben in den letzten 17 Jahren viele Opfer gebracht, um in ihrem Land demokratische Strukturen aufzubauen. Frauen haben heute Freiheiten und Möglichkeiten, die sie vorher nicht hatten. Meinungs- und Medienfreiheit sind zumindest in der Verfassung garantiert. All diese Errungenschaften sind nicht verhandelbar – weder durch die USA noch durch die Taliban.
Genauso wenig sollten in der Hektik dieser Gespräche die Opfer des 17-jährigen Krieges vergessen werden. Die Mörder von Tausenden Menschen dürfen sich nicht erneut der Bestrafung entziehen, wie dies bei der ersten Bonner Konferenz der Fall war.
Die USA scheinen kein Problem damit zu haben, all das aufs Spiel zu setzen, um ihren Krieg in Afghanistan hinter sich zu lassen. Die Entscheidung über die politische Zukunft müssen aber die Afghanen selbst treffen. Um einen echten Frieden zu erreichen, müsste zunächst ein Team aus Afghanen gebildet werden, die über die nötigen Qualifikationen und die Legitimation verfügen, zu verhandeln. Zu diesem Team müssen zwingend auch Vertreter der Zivilgesellschaft, darunter auch Frauen gehören. Alles andere ist unausgewogen, einseitig und wird keinen dauerhaften Frieden bringen.
28 Jan 2019
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der Sozialwissenschaftler Didier Fassin kritisiert in „Der Wille zum Strafen“ unser Verständnis von Bestrafung und „persönlicher Schuld“.
Die Deutsche Welthungerhilfe appelliert daran, die Menschen am Hindukusch nicht zu vergessen. Hilfe sei weiter nötig und möglich.
Im Ringen um Frieden in Afghanistan hofiert nach der US-Regierung auch Russland die Taliban. Moskau lässt die Regierung in Kabul außen vor.
USA und Taliban wollen eine Nachkriegsordnung festlegen. Beobachter fürchten, dass die Demokratie nach dem Abkommen nicht lange anhalten wird.
Die Gespräche zwischen den USA und den Taliban kommen voran. Zwar ist noch kein Waffenstillstand vereinbart, aber weitere Konsultationen sollen folgen.
In Abu Dhabi finden auf US-Initiative Gespräche für eine Konfliktlösung mit den Taliban statt – und bringen bisher keine greifbaren Ergebnisse.